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Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Titel: Der untröstliche Witwer von Montparnasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Aber, offen gestanden ...«
    Marc riß geräuschvoll sein Blatt aus dem Block und legte Bonnot die Skizze mit Clements Silhouette vor. Dann entschied er sich für ein Kaffeecreme-Teilchen und konzentrierte sich wieder auf seinen Block. Der Typ war ein guter Bäcker, da gab es nichts. Ein Korinthenkacker wie Lucien hätte erklärt, die Teilchen wären zu dick und ohne jede Raffinesse, aber Marc sagten sie ausgesprochen zu.
    »Nein ...«, wiederholte Bonnot. »Ich weiß nicht. Vielleicht ist der da zu schmächtig ...«
    »Wie ist er gerannt?«
    »Nicht gut. Er lief nicht sehr schnell, er hielt die Arme so nach hinten und wurde alle zehn Meter langsamer, als ob er ermüden würde. Er hatte nichts von einem Rennläufer, überhaupt nicht.«
    »Wie konnte er Ihnen unter den Bedingungen dann überhaupt entwischen?«
    »Ich bin selbst ein sehr schlechter Läufer. Außerdem habe ich stehenbleiben müssen, um meine Brille aufzuheben, die mir runtergefallen war. Der Typ hat die Gelegenheit genutzt, um mir durch die Lappen zu gehen. So war das. Das war die ganze Kunst.«
    »Ist außer Ihnen niemand sonst gerannt? Hat niemand anderes ihn gesehen?«
    »Niemand.«
    »Waren Sie allein, als der Überfall stattfand?«
    »Meine Frau war zu Hause.«
    »Hat sie nichts gehört?«
    »Nein. Aber ich war noch im Treppenhaus, ich war gerade auf dem Treppenabsatz, als es passiert ist.«
    »Ich verstehe.«
    »Warum fragen Sie mich das?«
    »Um mir Ihre Reaktion vorzustellen. Es ist nicht gerade üblich, sich einem Mörder an die Fersen zu heften.«
    Der Mann zuckte mit den Achseln.
    »Ich versichere es Ihnen«, sagte Louis. »Sind Sie nicht ängstlich?«
    »Doch, wie alle. Aber es gibt immer etwas, wovor Männer keine Angst haben, nicht wahr?«
    »Und was?«
    »Na, Frauen! Und ich hab in der Situation wirklich geglaubt, es sei eine Frau! Da bin ich ihr ohne nachzudenken hinterhergestürzt. Das war die ganze Kunst.«
    Marc nickte, während er weiterkritzelte. Der ›Sehr mittelmäßig mutige Patissier‹, verbesserte er in Gedanken. Zumindest war der Besuch nicht ganz vergeblich gewesen, die Welt wurde wieder geradegerückt.
    »Wie war das Blätterteig-Teilchen?« fragte Bonnot und wandte sich zu Marc.
    »Vorzüglich«, antwortete Marc und hob den Stift. »Mächtig, aber vorzüglich.«
    Bonnot nickte und wandte sich wieder Louis zu.
    »Die Polizisten haben mich dann aufgeklärt. Ihrer Ansicht nach hätte eine Frau nicht die erforderliche Kraft gehabt, um die Nachbarin so schnell niederzuschlagen. Die Nachbarin war verdammt kräftig, muß man dazu sagen.«
    »Ich würde gerne wissen, weshalb Sie an eine Frau gedacht haben«, sagte Louis und streckte einen Finger in Richtung Pastisflasche. »Haben Sie ihr Gesicht gesehen, ihren Körper? Nur für eine Sekunde?«
    Bonnot schüttelte langsam den Kopf und schenkte ihm ein zweites Glas ein.
    »Nein ... Ich habe Ihnen schon gesagt, daß sie, daß er völlig vermummt war. Er hatte einen dicken braunen Wollmantel an und eine einfache Hose, wie man sie im Winter bei Männern wie Frauen sieht ...«
    »Vielleicht Haare, die unter der Mütze hervorsahen?«
    »Nein ... Oder zumindest habe ich sie nicht gesehen. Ich habe im Grunde gar nichts gesehen. Ich habe halt nur geglaubt, es wäre eine kräftige Frau, nicht sehr jung und nicht sehr anmutig. Ich weiß nicht, warum. Nicht wegen der Kleidung, nicht wegen der Silhouette, nicht wegen dem Gesicht oder den Haaren. Also wegen etwas anderem, logischerweise, aber ich weiß nicht, was es war.«
    »Überlegen Sie bitte noch mal, es könnte sehr wichtig sein.«
    »Aber sie haben damals gesagt, es sei ein Mann gewesen«, wandte Bonnot ein.
    »Und wenn Sie nun recht hätten?« entgegnete Louis.
    Ein leicht heimtückisches Lächeln huschte über das Gesicht des Patissiers. Er legte das Kinn in die Hände und dachte, leise vor sich hin brummend, nach. Louis sammelte die Zeichnungen ein und gab sie Marc, der sie wieder in seinen Block steckte.
    »Ich komm nicht drauf«, sagte Bonnot und richtete sich auf. »Es ist zu weit weg.«
    »Vielleicht kommt es wieder«, sagte Louis und erhob sich. »Ich rufe Sie heute abend noch an, um Ihnen die Nummer von meinem Hotel zu geben. Und wenn Ihnen irgendwas einfällt, was die Frau oder die Zeichnungen angeht, so hinterlassen Sie mir eine Nachricht. Ich bin morgen noch den ganzen Vormittag da.«
     
    Auf der Suche nach einem Abendessen liefen Marc und Louis eine Weile durch die Stadt. Der Abend war noch sehr warm, und Louis trug

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