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Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Titel: Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Engels
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hat dies Wort gentibus eine nicht wegzudemonstrierende bestimmte Bedeutung. Dies galt von allen Deutschen; selbst die Ansiedlung in den eroberten Römerprovinzen scheint noch nach Gentes erfolgt zu sein. Im alemannischen Volksrecht wird bestätigt, daß das Volk auf dem eroberte Boden südlich der Donau nach Geschlechtern (genealogiae) sich ansiedelte; genealogiae wird ganz in demselben Sinn gebraucht, wie später Mark- oder Dorfgenossenschaft. Es ist neuerdings von Kovalevsky die Ansicht aufgestellt worden, diese genealogiae seien die großen Hausgenossenschaften, unter die das Land vertheilt worden sei, und aus denen sich erst später die Dorfgenossenschaft entwickelt. Dasselbe dürfte denn auch von der fara gelten, mit welchem Ausdruck bei Burgundern und Langobarden – also bei einem gothischen und einem herminonischen oder hochdeutschen Volksstamm – so ziemlich, wenn nicht genau dasselbe, bezeichnet wird wie mit genealogia im alemannischen Rechtsbuch. Was hier in Wirklichkeit vorliegt: Gens oder Hausgenossenschaft, muß noch näher untersucht werden.
    Die Sprachdenkmäler lassen uns im Zweifel darüber, ob bei allen Deutschen ein gemeinsamer Ausdruck für Gens bestand und welcher. Etymologisch entspricht dem griechischen genos, lateinischen gens das gotische kuni, mittelhochdeutsch künne, und wird auch in demselben Sinn gebraucht. Auf die Zeiten des Mutterrechts weist zurück, daß der Name für Weib von derselben Wurzel stammt: griechisch gyne , slavisch žena , gothisch qvino , altnordisch kona, kuna . – Bei Langobarden und Burgundern finden wir, wie gesagt, fara , das Grimm von einer hypothetischen Wurzel fisan , zeugen, ableitet. Ich möchte lieber auf die handgreiflichere Herleitung von faran , fahren, wandern, zurückgehn, als Bezeichnung einer fast selbstredend aus Verwandten sich zusammensetzenden, festen Abtheilung des Wanderzugs, eine Bezeichnung die im Lauf der mehrhundertjährigen Wanderung erst nach Ost, dann nach West, sich allmälig auf die Geschlechtsgenossenschaft selbst übertrug. – Ferner gothisch sibja , angelsächsisch sib , althochdeutsch sippia, sippa , Sippe. Altnordisch kommt nur der Plural sifjar , die Verwandten, vor; der Singular nur als Name einer Göttin, Sif . – Und endlich kommt noch ein andrer Ausdruck im Hildebrandslied vor, wo Hildebrand den Hadubrand fragt »wer sein Vater wäre unter den Männern im Volk .... oder welches Geschlechtes du seist« ( eddo huêlîhhes cnuosles du sîs ). Soweit ein gemeinsamer deutscher Name für die Gens bestanden hat, wird er wohl gothisch kuni gelautet haben; dafür spricht nicht nur die Identität mit dem entsprechenden Ausdruck der verwandten Sprachen, sondern auch der Umstand, daß von ihm das Wort kuning König, sich herleitet, welches ursprünglich einen Gentil- oder Stammesvorsteher bedeutet. Sibja , Sippe, scheint außer Betracht zu kommen, wenigstens bedeutet sifjar im Altnordischen nicht nur Blutsverwandte sondern auch Verschwägerte, umfaßt also die Angehörigen mindestens zweier Gentes ; sif kann also nicht selbst der Ausdruck für Gens gewesen sein.
    Wie bei Mexikanern und Griechen, war auch bei den Deutschen die Schlachtordnung, sowohl die Reiterschwadron wie die Keilkolonne des Fußvolks, nach Gentilkörperschaften gegliedert; wenn Tacitus sagt: nach Familien und Verwandtschaften, so erklärt sich dieser unbestimmte Ausdruck daher, daß zu seiner Zeit die Gens in Rom längst aufgehört hatte, eine lebendige Vereinigung zu sein. Entscheidend ist eine Stelle bei Tacitus, wo es heißt: der Mutterbruder sieht seinen Neffen an wie seinen Sohn, ja Einige halten das Blutband zwischen mütterlichem Onkel und Neffen noch heiliger und enger als das zwischen Vater und Sohn, so daß, wenn Geiseln gefordert werden, der Schwestersohn für eine größere Garantie gilt als der eigne Sohn dessen, den man binden will. Hier haben wir ein lebendiges Stück aus der nach Mutterrecht organisirten, also ursprünglichen Gens, und zwar als etwas die Deutschen besonders Auszeichnendes. [Fußnote: Die aus der Zeit des Mutterrechts stammende besonders enge Natur des Bandes zwischen mütterlichem Onkel und Neffen, die bei vielen Völkern vorkommt, kennen die Griechen nur in der Mythologie der Heroenzeit. Nach Diodor IV, 34 erschlägt Meleager die Söhne des Thestius, die Brüder seiner Mutter Althäa. Diese sieht in dieser That einen so unsühnbaren Frevel, daß sie dem Mörder, ihrem eignen Sohn, flucht und ihm den Tod anwünscht. »Die Götter

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