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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Fliege.«
    »Weißt du noch irgendein anderes Versteck?«
    »So wie wir abgehauen sind, sollten wir lieber ins traute Heim zurückkehren. Nach La Madrague.«
    »Unmöglich. Kennst du vielleicht ein Hotel?«
    »Ein Hotel?«
    »Ich habe Geld. In Marseille muss es doch irgendwo Zimmer für Leute wie uns geben.«
    »Ich kenne da vielleicht eins, aber …«
    Janusz winkte mit einem Fünfzig-Euro-Schein.
    »Geh hin und gib mir die Adresse.«
    Da sich in ihm Argwohn regte, fügte Janusz hinzu:
    »Der Schein hier bekommt noch einen kleinen Bruder, wenn du dort auf mich wartest.«
    Shampoo schenkte ihm ein zahnloses Lächeln und erklärte ihm den Weg.
    »Wenn ich bis morgen früh nicht da bin, schaltest du die Bullen ein«, sagte Janusz.
    »Die Bullen? Sonst noch was?«
    »Wenn du es nicht tust, kriegst du eine Anklage wegen Mittäterschaft.«
    »Mittäterschaft bei was? Was soll ich ihnen denn sagen?«
    »Die Wahrheit. Dass ich zurückgekommen bin. Dass wir angegriffen wurden. Und dass ich wissen wollte, was los ist.«
    »Du warst ja schon früher nicht ganz klar, aber jetzt drehst du anscheinend komplett durch.«
    »Geh ins Hotel und warte auf mich.«
    Ohne auf eine Antwort zu warten, ging Janusz davon.

E r versuchte zu rennen, doch sein verletztes Bein schmerzte zu stark. Der Hund hatte seine Zähne wirklich sehr tief in sein Fleisch geschlagen. Die wichtigste Maßnahme nach einem Hundebiss war, wie er sich erinnerte, die Ruhigstellung des entsprechenden Körperteils. Na toll! Und die Behandlung mit Antibiotika konnte er auch getrost vergessen.
    Janusz lief an der breitesten Straße entlang. Die kleinen Gässchen rechts und links beachtete er nicht. Er war ziemlich sicher, dass die Bandenmitglieder genau diesen Weg genommen hatten. Nach einer Weile – er überlegte gerade, ob er aufgeben sollte – machte die Straße einen deutlichen Knick, und er stand ohne jede Deckung auf einer Terrasse oberhalb der Stadt.
    Er war so überrascht, dass er sich schleunigst in den Schatten zurückzog.
    Die Aussicht von hier oben war traumhaft schön. Im Regen glitzerte die Stadt wie ein umgekehrter, sternenbedeckter Himmel. Und dahinter rauschte das Meer. Man sah es nicht, doch man ahnte seine schwarze, endlose Weite. Für einen Augenblick genoss er den Anblick, die Frische und den Frieden und vergaß seine brennende Lunge.
    Der Klang von Stimmen rief ihn in die Wirklichkeit zurück. Unterhalb seines Standorts befand sich eine Treppe ähnlich der, die er vor wenigen Minuten erklommen hatte. Am Fuß der Stufen standen seine Verfolger im Schein einer Laterne. Sie waren zu fünft und hatten ihre Hunde dabei. Janusz konnte nicht verstehen, was sie sagten, aber er spürte ihre Wut, ihre Ohnmacht und ihre Atemlosigkeit.
    Er beobachtete sie genau. Sie trugen geflochtene Zöpfe, rote und blaue Irokesenschnitte und rasierte Schädel mit esoterischen Tattoos. Die Gesichter waren an allen nur erdenklichen Stellen gepierct. Ihre Bewaffnung bestand aus Keulen, Messern und Schreckschusspistolen.
    Janusz lächelte. Es amüsierte ihn, seinen Peinigern zuzusehen, ohne selbst entdeckt zu werden.
    Schließlich machten sich die Aussteiger auf den Weg in Richtung der Docks. Janusz wartete, bis sie seinem Blick entschwunden waren, ehe er die Treppe hinunterlief. Der Regen hatte endlich aufgehört, doch jetzt waren die Straßen mit einer glitschigen, langsam erstarrenden Schmierschicht überzogen.
    Die Bande wandte sich nach Norden und trabte die Straße entlang, die von der Autobahn überspannt wurde. Janusz vergaß sein schmerzendes Bein und folgte ihnen in einem Abstand von zweihundert Metern. Er huschte von Pfeiler zu Pfeiler und achtete darauf, dass er immer im Schatten blieb. So legten sie mindestens einen Kilometer zurück. Die Straße war noch immer menschenleer. Der Mistral entfaltete eine wilde Kraft, die das Pflaster trocknete und Pfützen erstarren ließ.
    Irgendwann bog die Gruppe nach rechts in eine schlecht beleuchtete Straße ab. Die Häuser wurden wieder höher. Janusz glaubte, das Viertel La Madrague wiederzuerkennen – oder war es Bougainville? Sie durchquerten Schlafstädte, kahle Gärten und Spielplätze mit rostigen Schaukeln.
    Die Umgebung wurde immer hässlicher. Verlassene Fabriken wechselten sich mit Häusern ab, deren Fenster zugemauert waren. Dazwischen lagen Brachgrundstücke. In der Ferne erhoben sich Baukräne, die wie bösartige Insekten aussahen.
    Sie überquerten ein leeres Grundstück. Der Wind presste die Quecken an den

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