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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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waren. Merkwürdigerweise fühlte sie sich eher ruhig und schicksalsergeben. Ihr wichtigstes Ziel hatte sie erreicht: Narcisse war verhaftet worden und damit in Sicherheit. Irgendwann würde die Wahrheit sicher ans Licht kommen. Man würde die beiden Widerlinge identifizieren und das Durcheinander Stück für Stück entwirren. Vielleicht würde es sogar gelingen, den Obdachlosenmörder dingfest zu machen.
    Sie nahm an, dass der Fall bald gelöst sein würde.
    Aber auch sie war dem Ende nah.
    »Arschlöcher! Bastarde! Ich will sofort den Kommissar sprechen.«
    Wieder hob Anaïs die Füße hoch. Der Obdachlose hatte eine neue Salve ausgespien. Der Gestank nach billigem Fusel war überwältigend, zumal er sich mit Urindünsten und dem üblen Geruch der Zelle mischte. Sie warf ihren Zellengenossen einen zerstreuten Blick zu. Abgesehen von dem Stänker und dem Wrack am Boden gab es noch zwei Stadtstreicher, die völlig erschöpft auf der Bank hockten. Ein Punk schlotterte am ganzen Leib und kratzte sich die Arme blutig. Ein Mann im Anzug starrte stumpfsinnig vor sich hin – vermutlich ein Fahrer ohne Führerschein. Zwei jugendliche Rocker in sorgfältig zerrissenen Jeans mit Farbklecksen – offenbar Sprayer – lachten und spielten sich auf.
    Sie war die einzige Frau.
    Normalerweise wurden die Geschlechter im Aquarium getrennt, doch dieses Prinzip galt in Paris offenbar nicht mehr. Oder man hielt sie für einen Kerl. Möglicherweise war es auch Absicht, um sie gefügig zu machen. Doch sie hatte weder Widerstand geleistet noch protestiert. Das Verfahren gegen sie war eingeleitet. Sie würde vor dem Richter erscheinen müssen. Und dann würde sie alles erklären.
    Im Schloss drehte sich ein Schlüssel. Alle Blicke wandten sich zur Tür – die einzige Richtung, wo etwas passieren konnte. Ein Uniformierter und ein Polizist in Zivil traten ein. Anaïs schätzte den Zivilen mit einem Blick ab: ein Muskelmann, der Steroide nahm und mit dem sicher nicht zu spaßen war.
    Der Kommissar trat auf sie zu.
    »Komm mit.«
    Anaïs ging weder auf die vertrauliche Anrede noch auf den geringschätzigen Tonfall ein. Der Kerl in seiner Baggy-Jeans, dem Lederblouson und der offen getragenen Glock brachte bestimmt hundert Kilo auf die Waage. In der Zelle breitete sich eine gewisse Furcht aus.
    Anaïs stand auf und folgte dem Bodybuilder. Sie erwartete, in die große Halle und von dort aus zu den Büros der Kommissare gebracht zu werden. Doch der Riese wandte sich nach rechts in einen engen Flur, der nach Staub roch, und bog dann abermals nach rechts ab. Der üble Geruch verwandelte sich. Jetzt stank es nach Scheiße.
    Sie hörte Schreie und dumpfe Schläge. Die Türen waren aus Eisen, Stromschalter und Wasserspülung befanden sich außen. Das waren die Ausnüchterungszellen. Der Polizist in Uniform griff nach seinem Schlüsselbund. Eine Tür wurde geöffnet. Vier Betonwände. Es roch nach Erbrochenem und Exkrementen, Kakerlaken stoben davon.
    »Setz dich.«
    Anaïs gehorchte. Die Tür fiel hinter ihr und dem Bodybuilder ins Schloss.
    »Wir haben dich überprüft. Du bist tatsächlich Polizistin.«
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich nicht zu duzen?«
    »Schnauze. Aber eines hast du vergessen.«
    »Nämlich?«
    »Du bist seit heute Morgen vom Dienst suspendiert. Auf Anweisung der Dienstaufsichtsbehörde in Bordeaux.«
    Anaïs lächelte erschöpft.
    »Ich habe um eine Verlegung auf die Krankenstation gebeten. Ich wurde geschlagen und …«
    »Halt die Schnauze. Du hast das Feuer auf deine Kollegen eröffnet, und zwar mit einer Waffe, die du nicht mehr benutzen durftest.«
    »Ich wollte ein polizeiliches Fehlverhalten verhindern.«
    Der Mann steckte die Daumen in den Gürtel und lachte. Anaïs senkte den Kopf und zwang sich, ruhig zu bleiben.
    »Das Fehlverhalten, das bist du.«
    »Wann sehe ich den Richter?«
    »Das Verfahren ist eingeleitet. Aber glaube ja nicht, dass du hier so schnell rauskommst. Eine Glock und Speed, das geht gar nicht!«
    Dem Bodybuilder schien es großen Spaß zu machen, auf einer Polizistin herumzuhacken.
    »Bei dem Einsatz haben Sie einen Mann verhaftet. Wo ist er?«
    »Willst du die Ermittlungsakte einsehen? Sollen wir dir vielleicht auch ein Büro einrichten?«
    »Ist er verletzt? Haben Sie ihn verhört?«
    »Ich glaube, du hast mich nicht richtig verstanden, Mädchen. Du bist hier ein Niemand. Sogar weniger als ein Niemand. Eher eine Art Judas.«
    Anaïs antwortete nicht. Sie hatte Angst vor diesem brutalen

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