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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Ihre Aufnahmepapiere ausgefüllt.«
    »Aber ich habe etwas gesagt?«
    »Sie haben fantasiert. Wir dachten zunächst an eine Form von Amnesie aufgrund der Schläge, die Sie abbekommen haben. Aber ich glaube, es ist komplizierter, nicht wahr?«
    Narcisse ließ seinen Kopf in die Kissen zurücksinken, ohne die Röntgenbilder aus den Augen zu lassen. Das Ding saß am Anfang der Nasenscheidewand auf der linken Seite. Vielleicht eine Kriegsverletzung? Ein Experiment? Seit wann mochte es sich dort befinden? Eins war auf jeden Fall sicher: Der Fremdkörper erklärte seine häufigen Schmerzen hinter dem linken Auge.
    Der Arzt hielt jetzt eine Spritze in der behandschuhten Hand.
    »Was ist das?«
    »Ich sagte es Ihnen bereits: ein Beruhigungsmittel. Sie haben ein ordentliches Hämatom unter der Schädeldecke. Das hier wird Ihnen Erleichterung verschaffen.«
    Narcisse antwortete nicht. Er bemühte sich, ruhiger zu werden und sich nicht mehr zu bewegen. Fast glaubte er, die Flüssigkeit in seinen Adern zu spüren. Es brannte ein wenig, tat aber gut. Der Arzt warf die Spritze in den Mülleimer und wandte sich zur Tür.
    »Sie werden gleich in ein anderes Zimmer gebracht. Morgen müssen Sie fit sein, da bekommen Sie nämlich Besuch. Die mit den Untersuchungen betrauten Ermittler, Ihr Pflichtverteidiger und jemand von der Staatsanwaltschaft. Und danach kommt der Ermittlungsrichter, der Sie unter richterliche Aufsicht gestellt hat.«
    Narcisse ließ die Handschellen klirren.
    »Und das hier?«
    »Damit habe ich nichts zu tun, das müssen Sie mit den Polizisten besprechen. Vom medizinischen Standpunkt her sehe ich keine Veranlassung, Ihnen das zu ersparen. Tut mir leid.«
    Narcisse wies mit dem rechten Arm auf die Tür.
    »Werde ich bewacht?«
    »Ja, draußen stehen zwei Polizisten.« Der Arzt lächelte ein letztes Mal. »Angeblich sind Sie sehr gefährlich. Gute Nacht. Schlafen Sie gut.«
    Das Licht ging aus, die Tür wurde geschlossen und anschließend verriegelt. Trotz der Spritze spürte Narcisse, wie Ruhe und Wohlbefinden schwanden. Man würde ihn zweier Morde anklagen – Minotaurus und Ikarus. Und dann gab es noch jenen dritten, den man ihm nach den Zeichnungen auf den Röntgenbildern sicher auch bald anhängen würde. Aber war er wirklich ein Mörder? Warum hatte er dieses Ding oben in der Nase? Wer hatte es dort eingesetzt?
    Er konnte sich lebhaft vorstellen, dass die Diagnose seines Zustands den Experten nicht schwerfallen würde: Geistesschwäche und Wahnsinn. Angesichts seiner psychischen Fluchten und der mythologischen Morde war die Schlussfolgerung klar. Man würde ihn auf dem schnellsten Weg in die geschlossene Abteilung einer Psychiatrie einweisen.
    Er bewegte sich auf seiner Trage und spürte, wie die Handschellen in sein Handgelenk einschnitten. Sein Körper war wie gelähmt vor Schmerzen. Das einzig angenehme Gefühl war die Berührung des weichen Stoffs seiner Hose …
    Er zuckte zusammen. Er trug noch seine Hose . Eine geradezu absurde Hoffnung ließ ihn seine freie rechte Hand in seine rechte Hosentasche stecken. Hatte er nicht den kleinen Handschellenschlüssel eingesteckt? Vielleicht war er der Aufmerksamkeit der Polizisten entgangen.
    Doch er fand nichts. Die Tasche war leer. Sich drehend und wendend versuchte er sein Glück auch in der linken Hosentasche. Und da spürte er ihn! Mit zitternder Hand zog er den Schlüssel hervor. Wenn das kein Glücksbringer war!
    Bei den Schlüsseln handelte es sich vermutlich um ein Standardmodell. Er richtete sich auf und steckte ihn in das Schloss seiner Handschellen. Eine halbe Drehung, und der Mechanismus öffnete sich. Narcisse setzte sich im Dunkeln auf und massierte sich das Handgelenk.
    Und dann begann er zu lachen.

V orsichtig entfernte er die Infusionsnadel aus seiner Armbeuge und sprang zu Boden. Das Linoleum schluckte das Geräusch seiner Schritte. Seine Augen hatten sich bereits an die Dunkelheit gewöhnt. Er tappte zu den Spinden, öffnete sie lautlos und fand sein Jackett, das Hemd und die Schuhe. Das Geld, die Glock und das Eickhorn-Messer sowie das Heftchen, in dem er die Zusammensetzung seiner Farben notiert hatte, waren verschwunden. Man konnte eben nicht alles erwarten!
    Leise zog er sich an, dann legte er sein Ohr an die Tür und lauschte.
    »Mit dem, was ich ihm gespritzt habe, wird er bis morgen früh schlafen«, hörte er den Arzt zu den beiden Wachpolizisten sagen.
    Er musste sich also beeilen, ehe das Mittel zu wirken begann. Hastig huschte er durch

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