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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Riesen. Schultern und Oberkörper spannten sein Hemd und sein Blouson wie eine Muskelerektion. Sein Gesicht allerdings wirkte gleichmütig. Er besaß die heitere Physiognomie eines Pflanzenfressers.
    »Während des Kampfes wurden zwei Männer niedergeschossen«, fuhr Anaïs hartnäckig fort. »Hat man sie identifiziert? Wurde das Fahrzeug der beiden beschlagnahmt? Es ist ein Q7, der vor dem Hotel Pont-Royal abgestellt war.«
    Der Bulle nickte ergeben. Längst hielt er Anaïs für eine Verrückte, die man am besten einfach reden ließ.
    »Haben Sie sich schon in der Nachbarschaft umgehört?«, fragte sie unbeirrt weiter. »Wichtig wäre es, das Personal der radiologischen Praxis in der Rue de Montalembert zu befragen. Dort …«
    »Ich an deiner Stelle würde jetzt vor allem darüber nachdenken, wie ich einen guten Anwalt finde.«
    »Einen Anwalt?«
    Mit den Händen auf den Knien beugte er sich zu ihr vor und schlug einen anderen, fast mitleidigen Ton an.
    »Ja, was denn wohl, Kleine? Glaubst du allen Ernstes, man könnte einfach so auf Kollegen schießen, ohne dass das Konsequenzen hat? Macht ihr das so in Bordeaux?«
    Anaïs wich auf ihrer Bank so weit wie möglich nach hinten zurück.
    »Sie müssen unbedingt Sylvain Reinhardt verhören. Er wohnt in der Rue de Montalembert 1. Außerdem Simon Amsallem in der Villa Victor Hugo 18.«
    »Wann ich dir so zuhöre, kommen mir begründete Zweifel. Möglicherweise brauchst du gar keinen Anwalt, sondern eher einen guten Psychiater.«
    Anaïs sprang mit einem Satz auf und schleuderte den Kerl gegen die Eisentür.
    »Das ist mein Fall, Arschloch. Und jetzt beantworte meine Fragen.«
    Der Mann stieß sie ohne die geringste Anstrengung brutal zurück. Anaïs knallte gegen die Wand, landete auf der Bank und stürzte zu Boden. Der Bulle hob sie mit einer Hand auf, während er mit der anderen die Handschellen von seinem Gürtel löste. Immer noch mit einer Hand drehte er sie um und legte ihr die Hände auf den Rücken. Die Handschellen klickten. Anaïs spürte eine Welle von Blut in ihrem Mund. Der Mann griff nach dem Kragen ihres Blousons und drückte sie gewaltsam auf die Bank.
    »Du solltest dich ein wenig beruhigen, meine Schöne.«
    »Sie haben ja keine Ahnung, was Sie da tun!«
    Der Polizist lachte auf.
    »Dann sind wir ja schon zwei.«
    »In der Straße, wo die Schießerei stattgefunden hat, müssten Sie zwei Gemälde und zwei Röntgenbilder gefunden haben«, sagte sie. Auf ihren Lippen lag der Geschmack von Eisen. »Sie müssen sie unbedingt sicherstellen. Und ich will sie sehen.«
    Er ging, ohne sie einer Antwort zu würdigen, zur Tür und klopfte.
    »Blödmann! Arschloch! Drecksau! Nimm mir die Handschellen ab!«
    Die Tür wurde von außen geöffnet und fiel statt einer Antwort hart wieder ins Schloss.
    Anaïs brach in Tränen aus.
    Sie hatte gehofft, dass ihr Absturz endlich ein Ende fände.
    Aber offenbar begann er erst.

I ch habe zwei Menschen umgebracht .
Es war der einzige Gedanke, der sein Bewusstsein erreichte.
    Ein düsterer, glühender, verstörender Gedanke.
    Ich habe zwei Menschen umgebracht .
    Die Schüsse aus der Glock vibrierten noch in seinem Blut. Nach wie vor spürte er den Rückstoß in seinen Händen. Und das Gefühl, wie er dem zweiten Angreifer sein Eickhorn in die Eingeweide gestoßen hatte, immer und immer wieder.
    Ich habe zwei Menschen umgebracht .
    Er blinzelte. Weiße Zimmerdecke. Leuchtplatten für Röntgenbilder. Ein blitzender Rollwagen voller steriler Produkte. Ein überheizter Untersuchungsraum in einem Krankenhaus. Er lag unter einer Rettungsdecke auf einer Trage. Sein ganzer Körper schmerzte. In seinem Fleisch steckte Metall.
    Er schloss die Augen und zog Bilanz. Sie fiel nicht einmal allzu negativ aus. Um Haaresbreite hätte es ihn erwischt, aber er lebte und konnte sogar laufen. Fast spürte er, wie das Blut in seinem schmerzenden Körper zirkulierte. Wärme . Seine Nachforschungen. Die Morde. Die Rätsel. Alles erschien ihm fern, zwecklos und irreal.
    Seit Tagen schon warf eine Frage die nächste auf.
    Aber die Polizei würde sich um die Antworten kümmern.
    Ein leichtes Klirren brachte ihm seine Situation zu Bewusstsein. Sein linker Arm war mit Handschellen an den Rahmen der Trage gefesselt, eine Infusion tröpfelte in eine Nadel in der rechten Armbeuge. Im Gefängnis würde er geduldig darauf warten, dass sein Fall gelöst wurde. Es war an der Zeit auszuruhen.
    Erst in diesem Augenblick bemerkte er, dass er nicht allein im Zimmer

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