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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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untergehenden Schiff.
    Anaïs versuchte zum Angriff überzugehen, stieß aber mit einer Frau zusammen, die ihre Tasche umklammert hielt. Sie fiel hin, verlor ihre Waffe, fand sie unter einem Auto wieder. Als sie sich wieder aufrichtete, sah sie, wie der zweite Söldner mit gezückter Waffe losstürmte. Narcisse saß wie betäubt ohne Pistole auf seinem Hinterteil.
    Anaïs umschloss mit der Linken ihre rechte Faust und zielte. Als sie gerade schießen wollte, lief eine Menschengruppe vor ihr vorbei. Zwei Schüsse peitschten. Ein weiteres Schaufenster ging zu Bruch und eine Windschutzscheibe wurde weiß, als wäre sie plötzlich überfroren. Anaïs sprang nach links, rollte über eine Motorhaube ab und nahm ihr Ziel wieder ins Visier.
    Narcisse hatte das Handgelenk seines Gegners gepackt. Der Lauf der Waffe sprühte Funken. Der Asphalt zerbarst. Aber Narcisse ließ nicht locker. Er hing wie eine Klette am Arm seines Gegners. Anaïs zielte auf die Beine des Mörders. Der Rückstoß müsste es ihr ermöglichen, seine linke Seite zu erreichen. Als sie den Abzug betätigte, jaulten die ersten Polizeisirenen um die Ecke.
    Reifen quietschten, Türen knallten. Über die allgemeine Panik hinweg peitschten Befehle.
    Anaïs konzentrierte sich auf ihr Ziel. Narcisse lag auf dem Boden und hatte seinem Gegner ein Schnappmesser in den Bauch gestoßen. Der Mann im schwarzen Hugo-Boss-Mantel versuchte ihn ins Gesicht zu beißen. Plötzlich sprang er auf. Die Schöße seines Mantels flatterten. Taumelnd und zusammengekrümmt wich er zurück. Lautsprecherstimmen forderten die beiden Kämpfer auf, sich zu ergeben. Auch Narcisse richtete sich jetzt auf. Er hielt immer noch das Messer in der Hand.
    Anaïs sah, wie ein uniformierter Polizist auf ihn zielte. Ohne nachzudenken, gab sie in Richtung des Polizisten einen Schuss in die Luft ab. Sofort hagelte es Kugeln um sie herum. Sie ließ sich fallen und presste sich auf den Bürgersteig. Die Kugeln drangen in Karosserien ein, zerfetzten die Fassade des Supermarkts und peitschten gegen die Andockstation des städtischen Fahrradverleihs. Die Polizisten hatten einen weiteren Feind erkannt und ließen keine Rücksicht walten.
    Sie hob den Kopf und sah, wie der Kampf zu Ende ging. Eine Gruppe Polizisten knüppelte mit aller Gewalt auf Narcisse ein. Anaïs wollte ihm etwas zurufen, doch nicht ein Ton drang aus ihrem Mund. Stattdessen spürte sie lauwarme Flüssigkeit auf ihren Lippen. Sofort dachte sie an Blut, doch es war nur Speichel. Alles drehte sich um sie. Sie hörte nichts mehr. Alles Blut schien in ihren Kopf gedrungen zu sein und selbst die winzigsten Äderchen zu füllen.
    Eine Art Vorahnung zwang sie, sich umzudrehen. Behelmte Männer stürzten sich auf sie. Sie wollte die Arme heben, ihre Waffe fallen lassen, ihre Marke vorweisen – alles gleichzeitig. Ehe sie jedoch auch nur eine Bewegung machen konnte, krachte ihr ein Schlagstock mitten ins Gesicht.

I ch will etwas zu essen, ihr Arschlöcher! Ich kenne meine Rechte!«
    Der Mann trommelte mit Fäusten an die Panzerglasscheibe. Als das nichts nützte, trampelte er mit den Füßen dagegen. Anaïs hätte ihn gern zum Schweigen gebracht, war jedoch damit beschäftigt, dem Erbrochenen auszuweichen, das sich über den Boden ergoss. Ein Obdachloser war von der Bank gerutscht und wand sich in Krämpfen. Bei jeder Konvulsion übergab er sich in hohem Bogen.
    »Nazibande! Ich will mit meinem Anwalt sprechen.«
    Anaïs stützte ihren Kopf in beide Hände. Ihre Kopfschmerzen wollten nicht nachlassen. Seit mehr als drei Stunden war sie in eine fünf mal fünf Meter große Zelle des Kommissariats in der Rue Fabert am Park vor dem Invalidendom eingesperrt.
    Man hatte dafür gesorgt, dass sie wieder zu sich kam, sie ausgezogen, sie durchsucht, sie fotografiert und ihre Fingerabdrücke abgenommen. Anschließend hatte man sie in Gesellschaft eines tobenden Sammelsuriums von Gesindel in diesen gläsernen Käfig gesperrt.
    Anaïs wusste, was sie erwartete. Im Jahr 2010 näherte sich die Zahl der in Polizeigewahrsam Genommenen allmählich der Millionengrenze. Man sperrte Fahrer ohne Führerschein ebenso ein wie lauthals streitende Paare, Typen, die sich mit einem Joint erwischen ließen, Obdachlose und Ladendiebe. Sie konnte sich wahrhaftig nicht beklagen, jetzt dazuzugehören. Immerhin hatte sie das Feuer auf die eigenen Kollegen eröffnet; außerdem war in ihrer Tasche Speed gefunden worden.
    Sie betrachtete ihre Finger, die noch schwarz von Tinte

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