Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
Vom Netzwerk:
war. Erneut öffnete er die Augen. Rechts von ihm stand ein Mann im weißen Kittel, der ihm den Rücken zuwandte und leise in ein Diktafon sprach. Vielleicht arbeitete er an seinem Krankenbericht. Er drehte den Kopf und bemerkte die Röntgenbilder auf der Leuchtplatte. Sie zeigten Aufnahmen eines Schädels von vorne und von der Seite. Im Nasenknorpel steckte eine Pistolenkugel. Sie befand sich in der Nähe der linken Nasennebenhöhle und war sehr deutlich weiß auf schwarz zu erkennen.
    Die Röntgenbilder seines Opfers.
    Er hatte den Mörder in Höhe der Nasenöffnung erwischt.
    Schweiß rann über sein Gesicht. Sein Schädel schmerzte. Ich habe zwei Menschen getötet. Ihm fielen die Zeichnungen ein, die er im Röntgenbild der Gemälde gefunden hatte. Nein, nicht nur zwei Menschen. Er war auch der Obdachlosenmörder.
    »Sind Sie wieder wach?«
    Mit den Händen in den Taschen stand der Arzt vor ihm. Seine spiegelnden Brillengläser erschienen ihm wie kristallklares Wasser, in das er am liebsten eingetaucht wäre, um sich von seinen Sünden reinzuwaschen.
    »Mein Name ist Doktor Martin. Ich bin Notarzt und habe mich um Sie gekümmert.«
    »Wo bin ich?«, gelang es ihm zu fragen.
    »Im Krankenhaus Hôtel-Dieu. Ich habe für Ihre Verlegung von der Station Cusco gesorgt.«
    »Was bedeutet Cusco?«
    »Es ist die forensische Station, auf der Straftäter behandelt werden. Dort wimmelt es nur so von Polizisten.«
    »Und als was gelte ich?«
    Der Arzt wies auf die Handschellen.
    »Was glauben Sie? Sie stehen unter Arrest, und ich erhalte meine Anweisungen von der Staatsanwaltschaft. Genau genommen sind Sie sowohl im Gefängnis als auch im Krankenhaus, aber auf dieser Station hier können Sie sich wenigstens eine Nacht lang richtig ausruhen. Wie fühlen Sie sich?«
    »Ich habe ziemlichen Muskelkater.«
    »Sie haben ganz schön Prügel bezogen«, meinte der Arzt in vertraulichem Ton. »Aber Sie haben einen ordentlich dicken Schädel.«
    Narcisse zeigte auf die Röntgenbilder.
    »Ist das der Schädel meines Opfers?«
    »Außer Ihnen hat es kein Opfer gegeben.«
    »Aber ich habe zwei Männer umgebracht.«
    »Sie müssen sich irren. Man hat keine einzige Leiche gefunden. Ich weiß nur, dass auch eine Frau verhaftet wurde. Eine Polizistin aus Bordeaux, wie ich gehört habe. Die Sache ist recht verwirrend.«
    Eine Polizistin aus Bordeaux . Narcisse brauchte keine weitere Erklärung. Anaïs Chatelet war mit von der Partie gewesen. Sie hatte die ganze Zeit nicht lockergelassen.
    Er versuchte sich zu erinnern. Schüsse. Messerstiche. Die schreiende Menge. Die Sirenen. Wo aber waren die beiden Mörder geblieben? Seine beiden Opfer?
    Er richtete sich auf einen Ellbogen auf und zeigte erneut auf die Röntgenbilder.
    »Wenn es angeblich keine Opfer gibt, wer ist dann der Kerl mit der Kugel im Kopf?«
    »Das sind Sie.«
    Narcisse sackte auf sein Lager zurück. Die Handschellen klirrten leise.
    »Wir haben diese Aufnahmen von Ihrem Schädel gleich bei Ihrer Einlieferung gemacht.«
    Der Arzt wischte mit einem desinfizierenden Wattebausch über die Venen von Narcisses linker Hand.
    »Ich spritze Ihnen jetzt ein Beruhigungsmittel. Es tut nicht weh.«
    Narcisse rührte sich nicht. Der Geruch des Desinfektionsmittels erschien ihm gleichzeitig tröstlich und aggressiv. Im Raum war es so warm, dass er den Eindruck hatte, seine inneren Organe seien so heiß wie die Steine auf einem Saunaofen. Das weiße Objekt auf dem Röntgenbild flimmerte geradezu schmerzhaft vor seinen Augen.
    »Was ist das für ein Ding da in meinem Schädel?«
    »Wenn Sie es nichts selbst wissen, kann ich Ihnen leider auch nicht weiterhelfen. Ich habe ein paar Kollegen gefragt, aber keiner hat so etwas je gesehen. Ich habe auch herumtelefoniert. Es könnte sich um ein Implantat handeln, das Hormone freisetzt, wie man es mit Kontrazeptiva manchmal macht. Oder eine dieser Mikropumpen aus Silizium, wie sie bei manchen Krankheiten eingesetzt werden. Sind Sie zufällig Epileptiker? Oder Diabetiker?«
    »Nein.«
    »Jedenfalls warten wir erst einmal Ihre Blutwerte ab.«
    »Und was ist mit dem Ding? Bleibt es in mir drin?«
    »Sie sollen morgen Vormittag operiert werden. Aber ohne Patientenakte müssen wir vorsichtig sein. Wir werden also zunächst einmal die Untersuchungsergebnisse abwarten und dann Schritt für Schritt vorgehen.«
    Patientenakte! Der Gedanke rief einen anderen auf den Plan.
    »Habe ich Ihnen bei der Einlieferung einen Namen genannt?«
    »Nichts Klares. Die Polizei hat

Weitere Kostenlose Bücher