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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Das Implantat setzte möglicherweise in seinem Gehirn eine chemische Substanz frei, die seine psychischen Fluchten hervorrief. Eine hanebüchene Vorstellung, die an billige Science-Fiction erinnerte! Aber nach allem, was er seit zwei Wochen durchgemacht hatte, würde ihn nichts mehr wundern.
    Er zog sein Hemd aus, verschloss den Abfluss des Waschbeckens, hielt den Atem an und musterte sich noch einmal im Spiegel, als betrachte er seinen schlimmsten Feind. Und dann ließ er seine Nase mit aller Kraft gegen den Rand des Waschbeckens krachen.
    Sofort wurde ihm schwarz vor Augen. Er sah Sternchen und ging kurz in die Knie. Aber sofort stand er wieder auf und zwang sich, die Augen zu öffnen. Als Erstes sah er sein Blut im Waschbecken, dann seine gebrochene Nase im Spiegel. Wilder Schmerz strahlte bis tief in sein Gehirn aus. Das Bad schien sich um ihn zu drehen. Er musste sich am Beckenrand festhalten, um nicht zu stürzen.
    Seine zitternde Hand tastete sich durch die dunkle Pfütze im Waschbecken. Nichts. Mit Daumen und Zeigefinger griff er nach seinem Nasenrücken und bewegte ihn langsam. Dabei blies er heftig durch die Nase, als wollte er sich schnäuzen.
    Doch alles, was dabei herauskam, war lediglich ein weiterer Blutschwall.
    Er nahm Anlauf und ließ seine Nase erneut auf den Waschbeckenrand prallen. Dieses Mal zielte er mehr auf Augenhöhe. Die Erschütterung fuhr ihm durch den ganzen Kopf. Eine Welle unglaublichen Schmerzes tobte durch seinen Schädel. Es gelang ihm zwar, stehen zu bleiben, doch er wagte nicht, sich im Spiegel anzuschauen. Halb ohnmächtig und mit brennenden, tränenden Augen griff er nach seiner Nase, verdrehte sie vorsichtig und blies. Wieder geschah nichts.
    Ein weiterer Versuch, ein weiteres Betasten. Nichts. Und noch einmal. Als er nach seiner Nase fühlte, spürte er gebrochene Knochen und Knorpel unter seinen Fingern. Sonst aber nichts.
    Der vierte Versuch fand nicht mehr statt.
    Ohnmächtig sackte Narcisse auf dem Fußboden zusammen.
    Als er wieder zu sich kam, spürte er zunächst das Blut, mit dem seine Haut am Linoleum festgeklebt war. Der Schmerz war nicht einmal so schlimm. Eher kam es ihm so vor, als hielte eine heftige Betäubung seinen Kopf umschlungen, presste seinen Schädel zusammen und blendete ihm die Augen. Er richtete sich halb auf. Seine Nase war wahrscheinlich nur noch ein blutiges Loch. Er streckte den anderen Arm aus, griff nach dem Wasserhahn und zog sich mühsam hoch.
    Überall war Blut. Auf dem Spiegel, an der Wand, im Waschbecken. Er kam sich vor wie ein Selbstmordattentäter, dessen Bombe in seinem Gesicht explodiert war. Nur langsam fand er den Mut, sich im Spiegel zu betrachten. Sein Gesicht sah nicht einmal entstellt aus. Lediglich die Nase war stark angeschwollen und wirkte schief. Ein Knochen hatte das Fleisch durchdrungen und sich durch die Haut gebohrt.
    Vielleicht war das Implantat ja durch diese Öffnung ausgetreten …
    Mühsam überwand er seinen Ekel und tastete in der klebrigen Flüssigkeit im Waschbecken herum. Und da fand er sie! Zwischen seinen bluttriefenden Fingern hielt er die Kapsel. Sie sah aus wie ein etwa zwei Zentimeter langes, ziemlich dünnes Projektil. Nachdem er sie unter fließendem Wasser notdürftig gereinigt hatte, stellte sie sich als chromfarbenes Röhrchen heraus, das weder eine Schweißnaht noch sonst eine erkennbare Öffnung hatte. Der Arzt hatte von Silizium gesprochen, doch er wusste nicht genau, was das war. Das Ding sah irgendwie futuristisch aus, als wäre es aus einem Stück gegossen. Falls es sich tatsächlich um eine Mikropumpe handeln sollte – wo kam dann der Wirkstoff heraus? Auf jeden Fall empfand er es als wahres Wunder, dass dieses Ding so winzig war.
    Er musste das Ding unbedingt untersuchen lassen. Aber wo? Wem sollte er es anvertrauen? Darauf wusste er keine Antwort. Schließlich steckte er es in die Tasche, entfernte den Stöpsel aus dem Abfluss und ließ kaltes Wasser über sein Gesicht laufen. Nachdem die Kälte seine Knochen fast gefühllos gemacht hatte, nahm er seine Nase zwischen beide Handflächen und richtete sie mit einer einzigen, kräftigen Bewegung wieder gerade.
    Das Letzte, was er hörte, war das Krachen seiner Knochen.
    In der nächsten Sekunde war er wieder bewusstlos geworden.

N och nie hatte Anaïs ein derart erschreckendes Gesicht gesehen. Das rechte Auge war rund und schien geradewegs aus dem Kopf kullern zu wollen. Das linke sah aus wie ein hinterhältiger Schlitz und verschwand fast im

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