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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Tonfall klang verächtlich.
    »Ein sehr zurückhaltendes Mädchen. Und ausgesprochen … eigenwillig.«
    Chaplain heuchelte Besorgnis.
    »Aber eine derart lange Abwesenheit ist doch nicht normal! An der Universität hat sie niemandem Bescheid gesagt.«
    »Ach, machen Sie sich keine Sorgen. Dieser Art Mädchen passiert schon nichts.«
    »Wie meinen Sie das?«
    Die Hausmeisterin stützte sich auf ihren Schrubber.
    »Wenn Sie ihr Professor sind, gebe ich Ihnen einen guten Rat.«
    Chaplain zwang sich zu einem Lächeln.
    »Schauen Sie sich die Taschen Ihrer Studentinnen an. Wenn das Mädchen eine Umhängetasche, einen Rucksack oder eine Tasche aus Jeansstoff bei sich hat, gibt es kein Problem. Aber wenn eine Studentin mit Chanel, Gucci oder Balenciaga bei den Vorlesungen auftaucht, hat sie einen anderen Job, das können Sie mir glauben. Als Nachtarbeiterin, wenn Sie wissen, was ich meine.«
    Die gute Frau schien nicht nur über Luxusmarken, sondern auch über das studentische Leben ausgezeichnet informiert zu sein. Aber sie hatte wohl recht. Medinas gesamte Wohnung ließ derartige Rückschlüsse zu. Ein Inbegriff der neureichen Protzerei des Pariser Nachtlebens. Hatte Medina vielleicht als Escort-Girl gearbeitet? War er selbst einer ihrer Kunden gewesen?
    Er gab sich entrüstet.
    »Medina war ausgesprochen seriös und …«
    »Aber offensichtlich führt sie ein Doppelleben.«
    »Haben Sie irgendeinen Beweis für Ihre Behauptung?«
    »Sie ging jeden Abend aus und kehrte nie vor dem frühen Morgen zurück. Glauben Sie vielleicht, dass sie als Nachtwächterin arbeitete?«
    Chaplain wollte sich entfernen, doch die Hausmeisterin hielt ihn zurück.
    »Wenn ich sie sehe, soll ich sagen, dass Sie da waren?«
    Er nickte zerstreut.
    »Und wie heißen Sie?«
    »Ach, vergessen Sie es.«
    Nur Sekundenbruchteile später drückte er den Türöffner des Eingangstores und hatte gerade noch Zeit, nach links zu verschwinden. Ein Zivilfahrzeug parkte in der zweiten Reihe. Zwei Männer stiegen aus, die Chaplain sofort als Bullen erkannte.
    Im Weggehen hörte er, wie sich das Tor hinter ihm öffnete. Die Polizisten mussten einen Universalschlüssel besitzen. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Hatte Anaïs ihn verraten? Nein, unmöglich. Sorgte man sich plötzlich um Medina Malaouis Schicksal? Eher unwahrscheinlich. Es gab nur eine einzige Erklärung: Anaïs wurde im Gefängnis überwacht. Als sie die Auskunft über die unterdrückte Nummer einholte, war das Telefonat mitgeschnitten worden, und man wollte wissen, warum die Polizistin sich ausgerechnet für diese Nummer interessierte.
    Chaplain rannte auf der Suche nach einer Metrostation oder einem Taxi den Boulevard Malesherbes hinunter. Er dachte an das hübsche Gesichtchen mit den hohen Wangenknochen. Das alles klang sehr deutlich nach Leichenrede. Was war am 29. August geschehen? War er zu spät gekommen? Hatte er sie etwa selbst getötet?
    Es gab nur eine Möglichkeit, es zu erfahren.
    Er musste Medinas Kolleginnen finden.
    Sich in die Welt der It-Girls einführen.
    Die Eintrittskarte dazu besaß er.

E r legte die nagelneuen Pässe auf das Armaturenbrett.
»Hier sind schon einmal zwanzig Stück. Die restlichen zehn bekommst du morgen.«
    Chaplain hatte die ganze Nacht hindurch an den Dokumenten gearbeitet und nach und nach die richtigen Handgriffe, Praktiken und Anforderungen eines wahren Fälschers wiederentdeckt. Er wurde erneut zu Nono dem Experten, Nono mit den goldenen Fingern.
    Yussef, der am Steuer seiner Mercedes S-Klasse saß, griff vorsichtig nach den Papieren. Er blätterte sie durch, studierte sie bis ins Detail und betastete sie. Chaplain saß neben ihm. Amar auf der Rückbank sah aus, als ob er sich ausruhte. In Wirklichkeit jedoch war er in voller Alarmbereitschaft.
    Yussef nickte und reichte die Pässe seinem Adlatus, der sie durch ein Gerät laufen ließ – vermutlich irgendein Detektor.
    Sekunden tropften wie glühendes Blei. Chaplain versuchte sich auf den verschwenderischen Luxus der Fahrgastzelle zu konzentrieren: die Täfelung aus Vogelaugenahorn, die schwarzen Ledersitze, das integrierte Navigationssystem …
    Durch die abgedunkelte Windschutzscheibe sah er das Asyl Saint-Maurice im Schatten der Metro, die auf dem Boulevard de la Chapelle oberirdisch verkehrte. Welten lagen zwischen dem pompösen Wagen und den illegalen Einwanderern, die sich ängstlich und ärmlich dort draußen drängten.
    Gegen 13.00 Uhr hatte er Yussef angerufen. Der Bosnier hatte

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