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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Haut.
    Kubiela fiel ihr kurzer Abend in Bordeaux ein. Sind Sie ganz sicher, dass wir meine Flasche nicht doch öffnen sollten ?
    Anaïs’ Handgelenke waren mit Kabelbinder gefesselt. Sie schien langsam wach zu werden. Kraftlos regte sie ihre Gliedmaßen. Ihre Bewegungen verrieten große Erschöpfung, Schwäche – oder Betäubung.
    »Hast du ihr Drogen verabreicht?«
    »Ein einfaches Beruhigungsmittel.«
    »Ist sie verletzt?«
    »Nein.«
    Kubiela öffnete seine Jacke und zeigte auf das blutige Hemd.
    »Und das da?«
    »Ist nicht ihr Blut.«
    »Wessen Blut sonst?«
    »Wen interessiert das? Blut haben wir weiß Gott genug.«
    »Trägt sie unter der Sturmhaube einen Knebel?«
    »Ich habe ihre Lippen zusammengeklebt. Mit Sekundenkleber.«
    »Mistkerl!«
    Er wollte sich auf den Alten stürzen, doch der hob nur den Schweißbrenner in seine Richtung.
    »Nicht der Rede wert. Sie kann es entfernen lassen, wenn ihr hier rauskommt.«
    »Soll das heißen, wir kommen wieder raus?«
    »Das hängt ganz von dir ab.«
    Kubiela wischte sich mit der Hand über die Stirn. Die Gischt und sein Schweiß hatten sich auf seiner Haut zu einem salzigen Schleim verbunden.
    »Was willst du?«, fragte er ergeben.
    »Dass du mir zunächst einmal zuhörst.«

I ch habe deine Mutter 1970 in einem medizinischen Zentrum kennengelernt. Damals leitete ich ein Mittelding zwischen Sozialstation und psychiatrischer Einrichtung. Franciszka und ihr Mann waren aus Schlesien geflohen und bettelarm. Andrzej arbeitete auf dem Bau. Franciszka entwickelte eine psychische Störung. Später wurde behauptet, dass ihre Probleme erst in der Schwangerschaft entstanden, aber das ist nicht richtig. Ich kann dir versichern, dass sie auch vorher schon krank war.«
    »Worunter litt sie?«
    »Sie war gleichzeitig manisch-depressiv und schizophren, und das Ganze schön katholisch verbrämt.«
    »Hast du sie behandelt?«
    »Das war mein Job. Aber vor allem konnte ich an ihr meine Forschungen vornehmen.«
    Kubiela gefror das Blut in den Adern.
    »Was für Forschungen?«
    »Ich bin ein Produkt der 1970er Jahre. Wir gingen damals davon aus, dass in der Chemie die Zukunft der Psychiatrie läge, und wollten alles mit Medikamenten kurieren. Neben meiner Tätigkeit als Psychiater baute ich ein Versuchslabor auf. Nichts Großartiges – ich war arm wie eine Kirchenmaus. Trotzdem habe ich mehr oder weniger zufällig eine neuartige Substanz entdeckt. Ich habe den Vorläufer von DCR-97 synthetisiert.«
    »Den Vorläufer von was?«
    »Des Serums im Reihenversuch Matrjoschka.«
    »Und wogegen wurde dein Serum eingesetzt?«
    »Gegen gar nichts. Es unterstützte den Wandel gewisser Launen und Triebe und verursachte eine Art verstärkter bipolarer Störung.«
    »Und du hast es Franciszka injiziert?«
    »Nicht ihr. Ihren Föten.«
    Allmählich kristallisierte sich die verborgene Logik der Geschichte heraus. Die Zwillinge, deren unterschiedliche Temperamente sich schon im Mutterleib so deutlich entwickelt hatten, waren bereits damals Versuchskaninchen gewesen. Man hatte sie sozusagen als Probelauf für spätere Versuchsreihen benutzt.
    »Die Resultate waren außergewöhnlich. Noch heute kann ich die Wirkungsweise nicht genau erklären. Die Substanz veränderte nicht etwa die genetische Struktur der Embryonen, sondern ihr Verhalten im Mutterleib. Bei einem der Kinder zeigten sich schnell sehr negative Triebe. Es wurde feindselig, aggressiv und hyperaktiv und schien seinen Bruder töten zu wollen.«
    Kubiela starrte ihn sprachlos an.
    »Ich hätte es gern gesehen, wenn beide Kinder zur Welt gekommen wären, doch das war rein körperlich nicht durchführbar. Die Gynäkologen haben den Eltern die Wahl gelassen, den Dominanten oder den Dominierten abzutreiben. Natürlich hat Franciszka sich für das schwächere Kind entschieden. Für dich. Sie hielt dich für einen unschuldigen Engel. Das ist natürlich Quatsch. Du warst auch nur ein Teil meiner Forschungen.«
    Tief im Innern verspürte Kubiela eine merkwürdige Erleichterung: Er war also wirklich der helle Zwilling.
    »Von diesem Zeitpunkt an interessierte mich deine Entwicklung nicht weiter. Ich hörte mit den Injektionen auf und brachte Franciszka in einer Einrichtung unter, wo ich als Konsiliararzt arbeitete. Nach einigen Jahren habe ich Andrzej wiedergesehen. Er berichtete mir, dass du unter Albträumen und unerklärlichen Aggressionsschüben littest. Ich habe dich untersucht und entdeckt, dass der dunkle Zwilling in dir weiterlebte. Das, was

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