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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Ansammlung von Fahrzeugen. Das Wasser reichte ihm inzwischen bis über die Knie. Er zerrte an der Beifahrertür – die andere war blockiert –, öffnete sie und ließ sich ins Wageninnere gleiten. Als er den Zündschlüssel drehte, stellte er dankbar fest, dass der Motor nicht abgesoffen war. Mit Schieben und Stoßen befreite er das Auto aus der Blechlawine und fuhr los.
    Zunächst ging es minutenlang durch eine Straße, in der Häuser und Bäume ihn vor den schlimmsten Auswirkungen der heftigen Böen schützten. Irgendwann entdeckte er das versprochene Schild und bog nach rechts ab. Fast sofort veränderte sich die Umgebung. Großtanks, Fabrikanlagen, Bahngleise – und obendrein der Sturm, der ihn hier wieder mit voller Wucht traf. Der Wagen schwankte. Er wurde ein Stück rückwärts geschoben, dann wieder nach vorn. Die Reifen drehten durch. Als Kubiela bereits dachte, er käme nicht weiter vorwärts, tauchten rechts und links der Straße hohe Erdwälle auf. Eine lange Baustelle schützte ihn über eine Strecke von fast einem Kilometer.
    Irgendwann erreichte er den Freihafen. Im Empfangsgebäude brannte kein Licht. Kubiela sah so gut wie nichts, mit Ausnahme einer rot-weißen Schranke, an der ein Schild hing: Zugang für Fußgänger und Fremdfahrzeuge untersagt . Im Chaos dieser Nacht wirkte das Verbot irgendwie lächerlich. Aber der Anrufer hatte recht gehabt: Den Bunker konnte man wirklich nicht verfehlen. Links erhob sich eine wahre Festung. Drohend ragten ihre Schutzwälle aus Stahlbeton in die Finsternis.
    Der Sturm hatte die Ausfahrtschranke weggerissen. Kubiela fuhr im Rückwärtsgang auf das Gelände. Kräne. Behälter. Die riesigen, fest am Boden vertäuten Flügel von Windrädern. Kubiela schlängelte sich um alle Hindernisse herum. Zwar tobte der Sturm mit unverminderter Heftigkeit, doch der Hafen schien ihm Widerstand zu bieten.
    Schließlich fand sich Kubiela am Fuß des Bunkers neben einem Eisenbahngleis wieder. Vor ihm öffnete sich ein weitläufiges Hafenbecken. Hundert Meter lange Frachtschiffe mit tonnenschwerer Ladung tanzten wie Nussschalen auf den wütenden Wellen. Meterhohe Wogen prallten gegen die Kaimauern.
    Kubiela betrachtete den Bunker. Die Mauern waren über zwanzig Meter hoch. Zum Hafenbecken hin erkannte er zehn genau gleich große Öffnungen.
    Wie hatte die Stimme noch gesagt? »Geh an der Ostseite des Gebäudes entlang. Die letzte Tür ist offen.«
    Nun endlich schaltete er das Navi ein, das ihm die Himmelsrichtungen anzeigte. Er befand sich an der Südseite des Bunkers, das Becken lag im Westen. Also hatte er alles falsch gemacht.
    Er legte den Rückwärtsgang ein, umrundete das Gebäude und fuhr schließlich in Richtung Norden an der Ostseite entlang.
    Die fensterlose Mauer war mindestens zweihundert Meter lang. Ganz am Ende der Festung erblickte Kubiela eine schwarze Eisentür. Die letzte Tür ist offen . Er griff nach den beiden Pistolen, ließ sie hinten in seinen Gürtel gleiten, verließ seinen Wagen und ging auf die kahle Wand zu. Der Kai war leer. Kubiela schwankte in Wind und Regen, doch er fühlte sich stark. Die Stunde der Konfrontation war gekommen.
    Ein Satz des Anrufers fiel ihm wieder ein.
    »Ich nenne sie Eurydike. Du kennst sie als Anaïs.«
    Eurydike . Aber wer war dann Orpheus? Er oder der Mörder? Was hatte dieser Verrückte vor? Erneut betrachtete er das Gebäude, in dem sich eine ganze Armee samt ihren U-Booten verstecken konnte. Langsam wurde ihm klar, dass er Orpheus sein musste – denn diese Festung beherbergte die Hölle. Fast schon suchte er im sintflutartigen Regen nach dem Zerberus, jenem schrecklichen Hund, der den Eingang zur Unterwelt bewachte.
    Halb wahnsinnig und bis auf die Haut durchnässt stieß er mit der Schulter gegen die schwarze Eisentür.
    Sie war offen.
    Es war gar nicht so schwierig, in die Hölle zu gelangen.

D as Erste, was er sah, war ein langer, dunkler Tunnel, der in das tosende Meer zu münden schien. Schäumende Wellen drangen machtvoll in die Röhre, beruhigten sich nach und nach und wurden schließlich zu schaumigen Lachen. Kubiela tastete sich durch die Pfützen am Boden vorwärts. Das Innere des Bunkers wirkte wie eine gigantische rechteckige Höhle. Vom Ende der Röhre ertönte in regelmäßigen Abständen ein wütendes Grollen, das anschwoll, um dann wieder zu verebben.
    Kubiela hatte den Eindruck, sich im Rachen eines Ungeheuers zu befinden, dessen Speichel das Meer war. Seine noch vom Regen getrübten Augen konnten

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