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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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richtig.«
    »Haben Sie mit ihm gesprochen? Ist sein Gedächtnis wieder zurückgekehrt?«
    »Nicht wirklich.«
    Die Frau trat einige Schritte auf ihn zu.
    »Sie haben Kommissar Pailhas gestern auf seinem Handy angerufen und von einem Versuch unter Hypnose gesprochen. Haben Sie es inzwischen probiert?«
    »Ja, heute Morgen.«
    »Und was ist dabei herausgekommen?«
    »Der Mann hat sich einiger Dinge erinnert, die aber einer Überprüfung nicht standgehalten haben. Alles war falsch. Ich …«
    Er hielt inne und verschränkte entschlossen seine Hände auf dem Schreibtisch.
    »Ich verstehe nicht ganz, Frau Hauptkommissarin, warum Sie mir diese Fragen stellen. Kommissar Pailhas hat mir gesagt, dass er heute die Ermittlungen aufnehmen würde. Arbeiten Sie mit ihm zusammen? Gibt es neue Erkenntnisse?«
    Sie ignorierte Freires Fragen.
    »Sind Sie der Meinung, dass der Mann simuliert? Dass sein Gedächtnisverlust vielleicht nicht echt ist?«
    »Mit hundertprozentiger Sicherheit kann man so etwas nie sagen. Aber eigentlich halte ich ihn für glaubwürdig.«
    »Hat er irgendeine Verletzung oder eine Krankheit?«
    »Er lehnt es kategorisch ab, sich röntgen oder scannen zu lassen, aber ich neige zu der Ansicht, dass sein Syndrom auf extrem starke Emotionen zurückzuführen ist.«
    »Von welcher Art Emotion sprechen Sie?«
    »Ich weiß es beim besten Willen nicht.«
    »Welche Angaben hat er gemacht?«
    »Ich kann nur noch einmal wiederholen, dass ohnehin alles falsch war.«
    »Wir haben ganz andere Mittel und Wege, seine Angaben zu überprüfen.«
    »Er behauptet, Pascal Mischell zu heißen. M.I.S.C.H.E.L.L.«
    Sie zog einen Stift und ein Notizbuch aus der Tasche. Es war ein Moleskine, die Neuauflage des berühmten Notizheftes von Hemingway und van Gogh. Vielleicht ein Geschenk ihres Verlobten … Sie schrieb konzentriert. Unbewusst ließ sie ihre rosa Katzenzunge im Mundwinkel spielen. Sie trug keinen Ring.
    »Sonst noch etwas?«
    »Er glaubt, Maurer zu sein, aus Audenge zu stammen und auf einer Baustelle in Cap Ferret beschäftigt zu sein. Auch das habe ich überprüft, aber …«
    »Fahren Sie fort.«
    »Er hat mir erzählt, dass seine Eltern in einem Dorf bei Arcachon gelebt hätten, doch dieses Dorf existiert überhaupt nicht.«
    »Wie soll es heißen?«
    Freire atmete müde ein.
    »Marsac.«
    »Spricht er über sein Trauma?«
    »Kein Wort. Er erinnert sich nicht an die geringste Kleinigkeit.«
    »Die Nacht im Bahnhof vielleicht?«
    »Nichts. Er ist nicht in der Lage, sich irgendwelcher Vorkommnisse zu entsinnen.«
    Sie hielt die Augen auf ihr Heft gesenkt, doch er spürte, dass sie ihn aus dem Augenwinkel beobachtete.
    »Gibt es eine Chance, dass sein Erinnerungsvermögen in dieser Angelegenheit relativ schnell zurückkehrt?«
    »Gerade diese Erinnerung wird vermutlich die letzte sein, die ihm wieder einfällt. Ein wie auch immer gearteter Schock hat die Tendenz, das Kurzzeitgedächtnis auszulöschen. Was seinen Namen, den Beruf und die Herkunft angeht, so hat er das alles wohl erfunden. Suchen Sie etwas ganz Bestimmtes?«
    »Tut mir leid, aber das darf ich Ihnen nicht sagen.«
    Unwillig verschränkte Mathias Freire die Arme.
    »Schade, dass die Polizei so wenig kooperativ ist. Wenn Sie nämlich bestimmte Hinweise hätten, könnte mir das bei der Diagnose und der Behandlung helfen …«
    Er verstummte. Anaïs Chatelet war ans Fenster getreten und brach jetzt in schallendes Gelächter aus. Immer noch lachend wandte sie ihm den Kopf zu. Ihr Gesicht verbarg noch ein weiteres Geheimnis: das strahlende Weiß ihrer kleinen Zähne, die einem wilden Tierchen zu gehören schienen.
    »Warum lachen Sie?«
    »Die Typen da unten beim Boulespiel! Wenn ein ganz bestimmter Kerl an der Reihe ist, verstecken sich alle anderen hinter den Bäumen.«
    »Ah, das ist Stan. Leidet unter Schizophrenie und verwechselt das Boulespiel manchmal mit Bowling.«
    Anaïs Chatelet nickte und drehte sich wieder um.
    »Ich frage mich, wie Sie das aushalten.«
    »Was meinen Sie?«
    »Nun, hier mit diesen … Verrückten.«
    »Vermutlich genau wie Sie. Ich passe mich an.«
    Die Polizistin nahm ihre Wanderung durch das Zimmer wieder auf. Mit dem Stift klopfte sie auf den Einband ihres Notizheftes. Zwar bemühte sie sich, wie ein harter Bursche zu wirken, erreichte aber das genaue Gegenteil: Sie wirkte ungeheuer feminin.
    »Entweder Sie sagen mir, was los ist, oder ich beantworte keine einzige Frage mehr.«
    Anaïs blieb abrupt stehen und blickte Freire

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