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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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sicher?«
»Es gibt keinen Zweifel. Das ist Patrick. Patrick Bonfils.«
    Die Krankenschwester stand vor seinem Schreibtisch und stützte die Hände in die Hüften. Sie hieß Myriam Ferrari, war 35 Jahre alt, ein Meter siebzig groß und achtzig Kilo schwer. Freire kannte sie gut. Sie war ebenso robust wie ihre männlichen Kollegen, besaß aber eine mütterliche Seite, die sie sehr sympathisch machte. Kurz nach Dienstbeginn an diesem Montagmorgen hatte sie um ein Gespräch mit Mathias Freire gebeten.
    Bei einer Begegnung im Flur hatte sie den Mann ohne Gedächtnis erkannt.
    Der Psychiater war verblüfft über diesen Zufall.
    »Ich stamme aus dem Baskenland, Herr Doktor. Meine Familie lebt in Guéthary, einem Dorf am Meer in der Nähe von Biarritz. Ich fahre fast jedes Wochenende hin. Als ich heute Morgen hier ankam, habe ich den Mann sofort erkannt. Das ist doch Patrick, dachte ich. Patrick Bonfils. Er ist Fischer und im ganzen Dorf bekannt. Sein Boot liegt bei uns im Hafen.«
    »Haben Sie ihn angesprochen?«
    »Ja klar. ›Hallo, Patrick‹, habe ich gesagt, ›was machst du denn hier?‹«
    »Und was hat er geantwortet?«
    »Gar nichts. In gewisser Weise war das natürlich auch eine Antwort.«
    Freire blickte auf seinen Schreibtisch. Vor ihm lagen sein Notizblock, sein Stift, ein Medikamentenführer und das Diagnostic and Statistic Manual , ein amerikanisches Standardwerk zur Klassifizierung von Geisteskrankheiten. Immer wenn er diese Dinge betrachtete, wurde ihm klar, wie wenig er doch wusste.
    Hätte er den Mann ohne Gedächtnis je identifizieren können, ohne dass der Zufall ihm zu Hilfe kam?
    »Erzählen Sie mir mehr von ihm«, forderte er die Krankenschwester auf.
    »Was soll ich denn erzählen?«
    »Nun, hat er zum Beispiel eine Frau? Oder Kinder?«
    »Eine Frau hat er. Na ja, mehr eine Freundin. Sie sind nicht verheiratet.«
    »Wissen Sie, wie die Frau heißt?«
    »Sylvie. Oder Sophie. Ich kann mich nicht genau erinnern. Jedenfalls arbeitet sie im Café gleich am Hafen. Zumindest in der Touristensaison. Jetzt hilft sie Patrick, die Netze zu flicken und solche Dinge …«
    Freire schrieb mit. Das Plankton unter den Fingernägeln des Riesen fiel ihm ein. Guéthary gehörte zu dem Gebiet, wo die Algenart vorkam. Patrick Bonfils . Er unterstrich den Familiennamen.
    »Seit wann wohnen die beiden in Guéthary?«
    »Keine Ahnung. Ich kenne sie, seit wir dort leben – also seit etwa vier Jahren.«
    Mit dem Wissen um die Identität des Cowboys konnte Freire ihn sanft zu seiner ursprünglichen Persönlichkeit zurückführen. Und danach würde er sich auf das traumatische Ereignis konzentrieren. Auf das, was der Mann am Bahnhof gesehen hatte .
    »Vielen Dank, Myriam«, sagte er und stand auf.
    »Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf: Seien Sie vorsichtig. Er macht einen ziemlich verwirrten Eindruck.«
    »Keine Sorge. Wir werden Schritt für Schritt vorgehen.«
    Die Krankenschwester verließ Freires Büro.
    Noch immer im Stehen las Mathias seine Notizen durch. Nein, dachte er, hier dürfen wir keine Zeit verlieren. Er schloss seine Tür ab, griff zum Telefon, rief die Auskunft an und bekam die Nummer von Patrick Bonfils in Guéthary.
    Nach dreimaligem Läuten nahm eine Frau ab.
    Der Psychiater kam sofort zur Sache.
    »Sind Sie Sylvie Bonfils?«
    »Mein Name ist nicht Bonfils. Ich heiße Sylvie Robin.«
    »Aber Sie sind die Lebensgefährtin von Patrick Bonfils?«
    »Mit wem spreche ich überhaupt?«
    Ihre Stimme schwankte zwischen Hoffnung und Unruhe.
    »Ich heiße Mathias Freire und bin Psychiater in der psychiatrischen Klinik Pierre-Janet in Bordeaux. Vor drei Tagen wurde Patrick Bonfils in meine Abteilung eingeliefert.«
    »Himmel …«
    Ihre Stimme versagte. Mathias hörte sie schluchzen. Die Frau weinte herzzerreißend.
    »Madame …«
    »Ich war so beunruhigt«, presste sie hervor. »Ich wusste ja nicht, wo er war.«
    »Wie lange haben Sie ihn nicht mehr gesehen?«
    »Seit sechs Tagen.«
    »Und Sie haben keine Vermisstenanzeige aufgegeben?«
    Die Frau antwortete nicht, sondern weinte nur leise vor sich hin.
    Freire beschloss, noch einmal ganz von vorn zu beginnen.
    »Sie sind die Lebensgefährtin von Patrick Bonfils, Fischer aus Guéthary?«
    »Ja.«
    »Wann und wie ist er verschwunden?«
    »Letzten Mittwoch. Er wollte eigentlich zur Bank.«
    »In Guéthary?«
    Freire hörte, wie sie unter Tränen lachte.
    »Guéthary ist ein kleines Dorf. Nein, er ist mit unserem Auto nach Biarritz gefahren.«
    »Was haben Sie

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