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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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für ein Auto?«
    »Einen alten Renault.«
    »Und wann haben Sie angefangen, sich Sorgen zu machen?«
    »Eigentlich sofort. Ich wollte natürlich wissen, was bei der Bank los war. Wir haben nämlich Schwierigkeiten. Sogar ziemliche Schwierigkeiten.«
    »Schulden?«
    »Ein Kredit. Für unser Schiff. Wir sind … Ach, Sie wissen schon. Die Fischerei wird immer schwieriger. Wir zahlen Steuern ohne Ende, und die Gesetze werden ständig geändert. Außerdem sind da noch die Spanier, die uns mit der Fangquote in die Quere kommen. Schauen Sie nie Nachrichten?«
    Mathias schrieb hektisch mit.
    »Und was geschah dann?«
    »Gar nichts. Er ist nicht nach Hause gekommen. Ich habe bei der Bank angerufen, aber dort hatte ihn niemand gesehen. Natürlich war ich auch am Hafen, in den Kneipen, wo er gern hingeht.«
    »Trinkt Patrick?«
    Sylvie antwortete nicht. Er nahm es als Bestätigung. Patrick Bonfils war geradezu ein Paradefall. Unter dem Druck der Geldnot hatte er sich seiner Identität entledigt wie eines zu schweren Mantels und war in einen Zug nach Bordeaux gestiegen. Aber welche Rolle spielte das traumatische Erlebnis am Bahnhof? Hatte es überhaupt stattgefunden? Und woher stammten das Telefonbuch und der Engländer?
    »Und dann?«
    »Abends bin ich zur Polizei gegangen und habe eine Vermisstenanzeige aufgegeben.«
    Vermutlich hatte man sich auf der Gendarmerie wegen eines alkoholisierten Fischers nicht gerade ein Bein ausgerissen. Zumindest war die Vermisstenanzeige nicht bis Bordeaux durchgedrungen.
    »Ist Patrick zum ersten Mal überfällig gewesen?«
    »Eigentlich ja. Er kommt zwar ständig zu spät und ist mit den Gedanken meistens weit weg, aber so etwas hat er bisher noch nie gemacht.«
    »Seit wann leben Sie zusammen?«
    »Seit drei Jahren.«
    Beide schwiegen eine Weile, ehe sich Sylvie schüchtern zu fragen traute:
    »Wie geht es ihm?«
    »Ganz gut. Er hat lediglich ein Problem mit seinem Erinnerungsvermögen. Ich könnte mir vorstellen, dass er unter dem Druck Ihrer derzeitigen Probleme eine Art geistigen Kurzschluss erlitten hat. Er hat sein Gedächtnis verloren. Sein Unterbewusstsein versucht, die Vergangenheit auszulöschen, um unbeschwert neu anfangen zu können.«
    »Neu anfangen? Wie meinen Sie das?«
    Sylvie wirkte fassungslos. Freire hatte sich nicht gerade feinfühlig ausgedrückt.
    »Er hatte nicht vor, Sie zu verlassen«, besänftigte er sie. »Offenbar haben die Schulden und die Schwierigkeiten in seinem Beruf dazu geführt, dass er vor sich selbst davongelaufen ist.«
    Sylvie schwieg. Freire ging nicht weiter auf das Thema ein, denn vielleicht war seine Vermutung ja falsch. Es gab auch noch eine andere Möglichkeit. Patrick war zur Bank aufgebrochen. Er hatte herumgelungert. Vielleicht auch getrunken. Dann hatte er den Zug nach Bordeaux genommen … und etwas gesehen . Der Schock hatte dann sein Gedächtnis ausgelöscht. Ohne Erinnerungsvermögen war er in das Bahnwärterhäuschen geflohen.
    »Kann ich ihn besuchen?«
    »Selbstverständlich. Aber lassen Sie mir noch etwas Zeit. Ich rufe Sie im Lauf des Vormittags zurück.«
    Freire verabschiedete sich. Es war 9.30 Uhr. Wie jeden Morgen erwarteten ihn die Akten der Neuzugänge. Er verschloss sein Büro, sagte der Sekretärin Bescheid, dass er im Haus unterwegs sei, und ging zum Kunsttherapiebereich, wo er mit ziemlicher Sicherheit den Mann mit dem Stetson finden würde.
    Seine Magnetkarte öffnete ihm alle Türen. Im Vorbeigehen grüßte er Kollegen, ohne sich aufzuhalten. Er hatte es eilig. Bonfils befand sich, wie vermutet, in den Räumen der Kunsttherapie, hatte es aber an diesem Tag vorgezogen, sich mit Ton zu beschäftigen. Er arbeitete an einer Art primitiver Maske.
    »Hallo.«
    Das Gesicht des Riesen erhellte sich. Er lächelte und entblößte dabei sein Zahnfleisch.
    »Wie geht es dir heute?«
    »Sehr gut.«
    Freire setzte sich und begann sehr vorsichtig:
    »Hast du noch einmal über das nachgedacht, was du mir gestern erzählt hast?«
    »Meinst du meine Erinnerungen? Ich … Ich bin mir nicht mehr so ganz sicher. Heute Morgen war eine Frau hier, die mich Patrick genannt hat. Ich …«
    Er brach ab, ohne die Augen von seiner Maske zu wenden, und wirkte wie jemand, den man nach einem Ausbruch aus dem Gefängnis wieder eingefangen hat. Er schluckte heftig. Seine Stimme zitterte.
    Mathias entschied sich für die harte Tour.
    »Ich habe gerade mit Sylvie gesprochen.«
    »Sylvie?«
    Der Riese fixierte ihn. Seine Pupillen weiteten sich wie die eines

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