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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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seiner Erinnerung auf die Sprünge helfen. Er wird nur dann wirklich zur Ruhe kommen, wenn er in seine ursprüngliche Identität zurückfindet. Sein Unterbewusstsein belügt ihn. Er lebt in einer Illusion, die ihn innerlich zerfrisst und sein Gleichgewicht zerstört. In Ihrer Beziehung wird sich nichts verändern. Im Gegenteil. Er wird sie endlich in vollem Umfang erleben können.«
    »Was Sie nicht sagen. Und wenn er sich an eine andere Frau erinnert? Wenn er …«
    Sylvie vollendete den Satz nicht. Sie drehte heftig den Kopf, als hätte ein Geräusch sie erschreckt. Freire schaute sie verständnislos an. Er hatte nichts gehört. Wieder zuckte sie, erst in die eine, dann in die andere Richtung. Als würde eine unsichtbare Kraft sie schütteln.
    »Sylvie?«
    Sie sackte auf die Knie. Entsetzt sah Mathias, dass die Hälfte ihres Schädels fehlte. Das freigelegte Gehirn dampfte in der kalten Luft. Eine Sekunde später schwamm ihr Körper im Blut. Hastig sah sich Freire nach Patrick um. Der Riese krümmte sich mit zertrümmertem Nacken auf seinem Felsen, als hätte ein unsichtbares Tier ihn zerfleischt. Seine Regenjacke färbte sich rot. Und dann zerbarst sein Brustkorb vor dem Gewitterhimmel in tausend düstere Spritzer.
    Der Anblick erinnerte Freire an die Bilder von der Ermordung Kennedys. Erst in diesem Augenblick begriff er. Man hatte auf die beiden geschossen, ohne dass auch nur das Geringste zu hören war.
    Er senkte den Blick. Sand spritzte auf. Die Einschläge waren tiefer und heftiger als die Spuren von Regentropfen. Kugeln. Jemand schoss mit einem Schalldämpfer. Durch den Schauer und die Gischt pfiff ein zerstörerischer Metallregen.
    Freire stellte sich keine Fragen mehr.
    So schnell er konnte, rannte er auf sein Auto zu.

D er Schütze war gewiss nicht allein. Wahrscheinlich wartete ein zweiter oben auf dem Hügel in der Nähe des Volvo auf ihn. Freire schlängelte sich zwischen den Büschen hindurch und spähte nach oben. Doch es war niemand zu sehen. Vorsichtig blickte er sich um. Mehr als dreihundert Meter entfernt rannte ein Mann den dicht bewachsenen, sandigen Hang eines Hügels hinauf. Er hielt etwas Schwarzes in der Hand. Vielleicht eine Pistole? War es der Sniper? Oder sein Komplize? In diesem Augenblick fetzten Geschosse durch das Buschwerk neben Freire. Damit war die Antwort klar.
    Der Schütze war noch in Position und hatte ihn entdeckt. Freire ließ sich nach hinten fallen und tauchte unter den Büschen ab. Auf allen vieren kroch er abseits des Weges durch Kieferndickicht, Brombeerranken und Ginster. Freire kam nur mühevoll vorwärts, schürfte sich die Hände auf. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen – immer wenn er es versuchte, tauchten blutige Bilder vor seinen Augen auf. Sylvies zerschmetterter Schädel. Der sich krümmende Körper des Riesen.
    Auf Höhe von Bonfils’ Haus schnellte Freire aus dem Dickicht. Er war etwa fünfzig Meter von dem Volvo entfernt. Hastig rannte er an den Schienen entlang auf seinen Wagen zu. Mehr als einmal knickte er im Schotter um. Den Mann mit der Pistole sah er nicht mehr, den Sniper hatte er überhaupt noch nicht entdeckt. Als er nur noch wenige Meter von seinem Auto entfernt war, wurde die Windschutzscheibe plötzlich so weiß wie Zucker. Ein Reifen platzte, eine Scheibe ging zu Bruch.
    Freire suchte hinter einer Kieferngruppe Deckung. Seine Lungen schienen bersten zu wollen. Er handelte nicht mehr bewusst. Kugeln pfiffen in Richtung seines Wagens. Es war unmöglich davonzufahren. Aber was sollte er tun? Die Schienen überqueren und auf der asphaltierten Straße davonlaufen? Dort wäre er ein leichtes Ziel gewesen. Zum Strand zurückzukehren war sogar noch schlimmer. Es gab keine Lösung, nicht eine einzige Möglichkeit. Nur der Regen rauschte nieder auf die Erde, die Blätter und seinen Kopf …
    Erneut blickte er sich um. Der Mann mit der Waffe tauchte aus dem Dickicht auf und rannte durch den Regen an den Gleisen entlang auf ihn zu. Es war tatsächlich einer der beiden Männer in Schwarz. Der Typ, der wie der Absolvent einer militärischen Eliteschule aussah und buschige Augenbrauen, dafür aber wenige Haare hatte. Er hielt eine Pistole mit kurzem Lauf im Anschlag und blickte sich nach allen Seiten um. Freire wurde klar, dass er noch nicht entdeckt worden war.
    Er duckte sich. Was ihm jetzt fehlte, war eine zündende Idee. Er spürte, wie ihm der Regen über das Gesicht strömte. Das Blattwerk um ihn herum bewegte sich. Erdige Gerüche stiegen von

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