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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Komplizenhaftigkeit unerträglich. Der Kerl schien sich absolut sicher zu sein, Victor Janusz wiedergefunden zu haben. Ein Schauder lief über Mathias’ Rücken. Plötzlich fiel ihm ein, woher er diesen Namen kannte. Der Kerl, dessen Fingerabdrücke man in der Reparaturgrube des Bahnhofs Saint-Jean gefunden hatte, hieß so. Er war der derzeitige Hauptverdächtige im Fall des Minotaurus.
    Freire trat Schweiß auf die Stirn. Er begann zu zittern. Und wenn dieser Typ von der Emmaus-Gemeinschaft nun recht hatte? Wenn er tatsächlich Victor Janusz und auf einer dissoziativen Flucht war?
    »Unmöglich«, murmelte er vor sich hin. »Mein Name ist Mathias Freire, und ich bin promovierter Mediziner. Seit mehr als zwanzig Jahren arbeite ich als Psychiater, war Professor in der Fakultät von Saint-Anne und Leiter der Klinik Paul-Giraud in Villejuif. Seit einigen Monaten bin ich zuständig für die Station Henry-Ey der Klinik Pierre-Janet in Bordeaux.«
    Er hielt inne, als er bemerkte, dass er sich beim Flüstern der Worte vor- und rückwärts wiegte wie ein Moslem beim Gebet. Oder wie ein Schizophrener bei einem Anfall. Er wirkte wie ein Irrer. Die anderen Fahrgäste warfen ihm irritierte Blicke zu.
    Die Logik ließ zu wünschen übrig. Auch Patrick Bonfils war in der Lage gewesen, genaue Angaben zu seinem früheren Leben zu machen. Und fiel es ihm selbst nicht fürchterlich schwer, sich früherer Begebenheiten zu erinnern? Oder persönlicher Erlebnisse? Lebte er nicht viel zu einsam, um ein ehrenwerter Bürger zu sein? Er hatte weder Freunde noch Familie. Konzentrierte er sich nicht viel zu sehr auf abstrakte und allgemeine Dinge? In seinem Leben gab es weder Lust noch Gefühle …
    Er schüttelte den Kopf. Nein. Er hatte Erinnerungen. Anne-Marie Straub zum Beispiel. Einen solchen Vorfall konnte man doch nicht erfinden! Freire sah sich um und erstarrte. Man musterte ihn neugierig. Er verkroch sich in seine Bankecke. Eine dissoziative Flucht. Ein radikaler Betrug. Vielleicht hatte er es schon immer gespürt …
    Der Zug hielt in Biarritz. Einige Fahrgäste standen auf.
    »Wissen Sie, wohin dieser Zug fährt?«, erkundigte er sich.
    »Nach Bordeaux, Bahnhof Saint-Jean.«
    Auch Daniel Le Guen stieg aus. Freire fühlte sich erleichtert. Es gab eine ganz einfache Möglichkeit festzustellen, wer er wirklich war. Er würde seine Papiere überprüfen. Seine Diplome. Seine Akten. Seine gesamte Vergangenheit. All das würde ihm bestätigen, dass er wirklich und wahrhaftig Mathias Freire war und dass er nichts mit einem gewissen Victor Janusz zu tun hatte, einem Obdachlosen, der des Mordes verdächtigt wurde.

Z um ersten Mal freute Freire sich auf sein Zuhause. Auf das Haus mit dem Namen Opal . Sein Haus. Er betrat den Garten und schloss die Haustür auf.
    Angesichts der leeren Zimmer und der kahlen Wände empfand er jedoch nicht die erhoffte Wärme. Das Haus hatte keine Seele. In seinen Räumen erkannte man weder eine Vergangenheit noch eine Persönlichkeit. Freire stürmte die Treppe hinauf in sein Schlafzimmer und zerrte den Aktenordner hervor, in dem er seine wichtigen Papiere aufbewahrte. Personalausweis. Reisepass. Die Karte der Krankenversicherung. Seine Diplome von der Universität. Kontoauszüge. Die Steuererklärung, die noch an seinen früheren Wohnsitz in der Rue de Turenne 22 in Paris adressiert war.
    Alles war in Ordnung. Freire stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Als er den Papierkram jedoch zum zweiten Mal durchblätterte, ließ die anfängliche Sicherheit schnell wieder nach. Bei näherer Betrachtung der Dokumente konnten einem durchaus Zweifel kommen. Zu Personalausweis, Pass und Krankenkassenkarte konnte er nichts sagen, denn er war kein Spezialist. Alle anderen Papiere jedoch waren eindeutig Fotokopien. Wo aber befanden sich die Originale?
    Freire zog seinen Regenmantel aus. Er schwitzte, und sein Herz klopfte zum Zerspringen. Wenn er davon ausging, dass er nicht die Person war, die er zu sein glaubte, und sich auf einer ähnlichen Flucht befand wie Patrick Bonfils, dann hätte dies im Anschluss an eine Zeit des Gedächtnisverlustes geschehen müssen. Wer aber hatte dann die Papiere gefälscht? Und mit welchem Geld?
    Heftig schüttelte er den Kopf. Das alles waren doch Wahnvorstellungen! Und im Augenblick gab es wirklich Wichtigeres zu tun.
    Zum Beispiel zur Kripo zu gehen und Anaïs Chatelet von dem Attentat zu berichten. Er griff nach seinem Regenmantel, löschte das Licht und lief die Treppe

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