Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
Vom Netzwerk:
den Pflanzen und dem durchnässten Boden auf. Am liebsten hätte er sich in der Natur aufgelöst und wäre zwischen Schlamm und Wurzeln eingetaucht.
    Plötzlich war aus der Ferne ein Donnern zu hören. Die Erde bebte unter seinen Füßen. Für einen kurzen Moment glaubte er, dass sein letztes Stündlein geschlagen hätte. Oder dass der Boden sich auftat, um ihn zu verschlucken. Als er sich jedoch wie ein Tier auf der Lauer kurz aufrichtete, begriff er. Ein Zug rollte heran.
    Es war ein Regionalzug, der sich nur langsam vorwärtsbewegte. Freire warf einen hastigen Blick nach links. Der Mann in Schwarz lief noch immer in seine Richtung, hatte ihn aber noch nicht entdeckt. Falls das Wunder geschah und er auf der anderen Seite der Gleise blieb, um den Zug vorbeizulassen, war Mathias gerettet. Der Lärm wurde ohrenbetäubend. Die Lokomotive war nur noch wenige Meter entfernt. Freire duckte sich wieder, sah aber, dass der Mann mit der Pistole anhielt. Er blieb auf der anderen Seite.
    Als die Bahn vorüberdonnerte, richtete sich Freire wieder auf. Jetzt war er für seinen Widersacher unsichtbar. Ein Waggon rumpelte vorbei, dann ein zweiter. Die Sekunden tropften wie Blei. Drei. Vier. Die Räder kreischten in einem Funkenregen über die Schienen. Der fünfte Waggon war der letzte. Freire sprang auf und klammerte sich mit einer Hand an den äußeren Türgriff. Seine Füße verfingen sich im Schotter. Hastig streckte er die zweite Hand aus. Seine Finger berührten kühles Metall. Er wurde einige Meter mitgeschleift, fasste aber Tritt, wurde schneller und schaffte es, sich auf das Trittbrett zu ziehen.
    Ohne lange nachzudenken drückte er den Türgriff. Nichts geschah. Er versuchte es erneut. Regen peitschte in sein Gesicht. Eine Windbö presste ihn gegen die Waggonwand. Immer wieder rüttelte er an der Tür. Er musste es einfach schaffen! Er musste!
    In diesem Augenblick sah er die beiden. Zwei Männer, die neben den Gleisen standen. Einer trug ein schwarzes Flightcase mit Metallecken, wie Musiker oder DJs sie benutzen. Der andere hatte seine Waffe unter seinem Mantel verborgen. Freire drückte sich gegen die Tür.
    Hier hatte er keinerlei Deckung. Die Männer hätten nur den Kopf zu drehen brauchen, um ihn zu sehen. Doch das Wunder geschah. Als Freire sich traute, in ihre Richtung zu schauen, sah er sie nur noch von hinten. Sie rannten gemeinsam auf den Volvo zu. Wahrscheinlich dachten sie, dass Freire sich irgendwo in der Nähe des Wagens versteckt hatte. Bis sie begriffen hätten, dass Mathias sich anders entschieden hatte, wäre er schon weit fort.
    Oder vielleicht doch nicht? Der Zug wurde noch langsamer. Der Bahnhof von Guéthary kam in Sicht. Erneut rüttelte Freire an der Tür, die sich dieses Mal öffnete. Er zwängte sich ins Innere.
    Der Zug hielt an.

V erwunderte Blicke musterten ihn. Nicht nur, dass er völlig durchnässt war, sondern er hatte auch Sand, Blätter und Ginsterblüten an den Kleidern. Er lächelte entschuldigend und versuchte ein wenig Ordnung in sein Outfit zu bringen. Nach und nach wandten die Reisenden den Blick ab. Mathias ließ sich auf eine Bank fallen und sackte in sich zusammen.
    »Sagen Sie mal, haben Sie nicht alle Tassen im Schrank?«
    Der Mann, der ihn angesprochen hatte, saß nicht weit von ihm entfernt.
    »Ich habe Sie gesehen. Sie sind wohl nicht ganz bei Trost?«
    Freire wusste nicht, wie er reagieren sollte. Der Mann war um die sechzig und äußerst erbost.
    »Wissen Sie eigentlich, wie gefährlich so etwas ist? Für Sie ebenso wie für uns. Aber wenn kein Mensch mehr die Regeln beachtet, dann dürfen wir uns nicht über die Scheiße wundern, in der wir stecken!«
    Freire versuchte den Mann mit einem freundlichen Lächeln zu beruhigen.
    »Aber so ist es nun mal!«, schimpfte der Alte. »Kerle wie euch sollte man sofort einsperren!«
    Mit diesen Worten stand er auf und stieg aus dem Zug. Freire atmete erleichtert aus, beobachtete aber mit ängstlichem Blick die Bahnsteige. Die Männer in Schwarz konnten jeden Augenblick auftauchen, die Waggons überprüfen, von Sitzreihe zu Sitzreihe eilen … Die längsten Sekunden seines Lebens schlichen vorbei. Endlich wurden die Türen geschlossen, und der Zug setzte sich in Bewegung.
    Irgendetwas tief in Freires Innern löste sich. Er befürchtete, dass seine Schließmuskeln ihn im Stich lassen könnten.
    »Nicht ärgern.«
    Ein Mann hatte seinen Platz verlassen und sich ihm gegenübergesetzt. Himmel! Was haben die bloß alle ? Freire blickte

Weitere Kostenlose Bücher