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Der Utofant

Der Utofant

Titel: Der Utofant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
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– gerade mit der Psychologie der Dramenhelden des Euripides, aber ich könnte mir denken, daß Remm mit dem anscheinend immer gleichen Prinzip etwas beabsichtigt hat, und wenn er nur den Fachmann langweilen und einschläfern wollte, um unerwartet mit etwas Neuem hervorzubrechen.
    Da kann es nichts Neues geben, sagte Odysseus, da gibt es keine anderen Prinzi
pien.
Du bist ja erst bis zur Haustür gelangt, sagte sie.
Was meinst du damit?
    Sie kam sich dümmlich vor, als sie sagte, da könnte noch etwas kommen. Bestimmt wird da etwas kommen.
    Michaela hielt es für wirkungslos, Odysseus darauf hinzuweisen, daß er am Anfang eines möglichen Erfolges stand, den Erfolg selbst aber noch längst nicht in der Tasche hatte. Sollte er die Aussicht auf Erfolg schon für den Erfolg ansehen? War er der typische Zufrühjubler? War seine fehlende Angst ein Zeichen von Dummheit? Dann hätte es keinen Sinn, ihn zu warnen: Fühl dich nicht zu sicher, da steckt noch mehr dahinter, das Schwerste steht noch aus. Oder plump, wie es schlichte Gemüter täten: Werde nicht überheblich, Hochmut kommt vor dem Fall. Ich bin gespannt, was du in dem Haus finden wirst, sagte sie vorsichtig. Ich nicht, erwiderte er. Im besten Fall wird es derselbe Schnickschnack sein, nur andersherum vielleicht, entsetzlich ermüdend, das alles abzuhaken.
    Als Michaela sich in Odysseus’ Appartement umsah, wunderte sie sich nicht über die ungemütliche Stimmung. Eigentlich ist es ein Behälter aus Plast, in dem auch Werkzeug abgelegt werden könnte, vielfarbig zwar, hochglanzlackiert, hygienisch
    belüftet, aber total unpersönlich. Wohnst du schon lange hier?
    Nein, sagte Odysseus, man hat es mir angewiesen. Komfortabel, was? Wärmt,
reinigt und belüftet sich selbst.
Hast du denn keine Bücher?
    Jede Menge, er trat auf ein Pedal, eine Wand flog auf. Aber das sind Standardwerke der Physik, der Mathematik, der Kybernetik, der Dichtkunst, der Malerei. Das haben die mir alles zur Verfügung gestellt, mitsamt dem Appartement. Ja, die Hochschule läßt es sich was kosten, daß ich ihren alten Remmplunder inventarisiere. Da will nämlich keiner ran, nicht aus Feigheit, sondern weil es jeden anstinkt. Das ist Sklavenarbeit, und die wird neuerdings gut bezahlt.
    Kann man hier auch was kochen, fragte Michaela, ich würde dir eine HerkulesBouillon heiß machen, mit Ei und Fleischeinlage. Meinetwegen, die Küche ist mit allem vollgestopft, abziehen, aufreißen, einschütten, umrühren, fertig.
    Kein Wunder, dachte Michaela, daß er die Inventarisierung der Villa Remm so lieblos vornimmt. Wer so langweilig lebt, strahlt schließlich selber Langeweile aus. Als Lichtblick betrachtete sie an der glatten Fliesenwand des Wohnzimmers drei Hochglanzfotos, auf denen sie Odysseus und sich erkannte, in dicken Thermoanzügen, jeder auf einem Eisblock sitzend. Er dachte also noch an ihr gemeinsames Erlebnis. Vielleicht würde er noch etwas liebevoller werden, vielleicht, wenn ihm im Hause Remm ein kleiner Mißerfolg, kein tödlicher, aber ein deutlicher Mißerfolg beschieden wäre. Wann kommen Männer gern ins Bett gekrochen? Nach einem Mißerfolg? Genauso fühlen sie sich nach einem Sieg berechtigt, mit offenen Armen aufgenommen zu werden. Nach einem Sieg erst recht.
    Sie sagte, während er Löffel um Löffel Herkules-Bouillon zum Munde führte, das mag hier technisch alles ganz in Ordnung sein und auch dein Vorgehen in Remms Haus, aber den ganzen Remm wirst du so nicht verstehen. Man hat ihm übel mitgespielt.
    So lautet das Thema meiner Arbeit nicht. Mein Thema lautet Inventarisierung, und
das ist eine Hundearbeit.
Möchtest du denn nicht wissen, was Remm gedacht hat?
    Das sehe ich ja, wenn ich seine Dinger auseinandernehme. Da liegt Ernst Remms Prinzip übersichtlich vor mir.
    Aber was er gedacht hat, meine ich, wie ihm zumute war, ob er sich freute, ob er selber über solche Spaße lachte, ob er sich einsam fühlte.
    Tut alles nichts zur Sache und ändert nichts an dem Prinzip, sagte Odysseus unerschüttert.
    So hielt es Michaela für das beste, nach Haus zu gehen. Bis morgen dann. Ja, bis morgen, in Remms Garten.

    3

    Odysseus kramte aus seiner gelben Werkzeugtasche einen kybernetischen, in Atomkraftwerken gebräuchlichen Arm, dirigierte ihn vorsichtig zum Remmschen Klingelknopf und ließ ihn drücken. Hoffentlich fliegt die Villa jetzt nicht in die Luft, sagte Michaela.
    Da brächte sich der Witzbold ja um die Schau im Innern. Es könnte höchstens eine Hand rausfahren und

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