Der Utofant
befürchtete, Odysseus würde flüchten. Ich mache dir einen kräftigen Salat und eine Herkules-Bouillon mit Ei.
Nein, danke; bitte sehr, gestatte mir, trag’s mir nicht nach, ich kann nicht. Bist du verworren? Du solltest schlafen, einfach tief schlafen, ich wärme dir das Bett, nein, nicht mit mir, mit einer Flasche, hab keine Angst, ich werde dich zu nichts verführen, du mußt nur schlafen, und danach werde ich dir etwas Wichtiges zum Thema Remm erzählen.
Ich kann nicht schlafen, sagte er, ich bin hellwach. Wozu denn schlafen? Schlaf ist
nicht programmiert, ich bin bei diesem Thema engagiert.
Und schon kaputt?
Nein, mach dir keine Sorgen, laß mich jetzt gehen, ich rufe dich mal an. Er stand ruckartig auf und rannte aus der Wohnung.
Sehr bald sah Michaela ihn schräg den Fahrdamm überqueren. Dahinter steckt
was, dachte sie, wenn jemand weder mit mir schlafen will noch essen will, noch
richtig schlafen will, wenn alle diese wichtigen Bedürfnisse ausfallen, steht ein
Verbrechen oder eine Erfindung im Hintergrund. Nach einer Stunde rief sie bei
Chloros’ Wirtin an.
Er selber war am Apparat. Hallo, mir geht es gut.
Warst du schon in der Villa?
Ich wollte vielleicht morgen hin.
Gut, sagte Michaela, ich komme mit.
Odysseus trug eine ladenneue gelbe Werkzeugtasche.
Michaela bemerkte, zum kompletten jungen Kybernetiker die elegante Tasche in mehreren Ausführungen: handlich, pflegeleicht, hygienisch.
Was willst du, sagte er, wenn ich die Inventarisierung durchgezogen habe, gebe ich sie zurück. Ich habe sie angezahlt, mit ein paar Mark, aber ich möchte ausgerüstet sein. Kein Risiko eingehen, verstehst du?
Als sie die Gartenpforte der Villa Remm erreichten, trat ein auffallend zivil gekleideter Beamter auf sie zu und zeigte seinen Ausweis. Herr Chloros, ich bin gern bereit, Sie vor lästigen Reportern abzuschirmen, es ist mein Auftrag.
Sind welche da? fragte Odysseus überflüssigerweise, denn die Reporter umzingelten die beiden schon. Es wird aber nicht nötig sein, ich danke Ihnen bestens. Zu den Reportern sagte er, ich hafte nicht für Schaden, wenn Ihnen ein Fuß abgequetscht wird oder Sie eins auf den Ballon bekommen, dann ist das Ihre Schuld. Bastelkenntnisse sind unzureichend, um Sie aus einer Klaue zu befreien. Halten Sie Abstand, und quatschen Sie nicht, sonst muß ich diesen Herrn bitten, Sie zu entfernen. Interviews gebe ich vorläufig nicht, das hier ist die Pforte, wo der Kriminalkommissar einen halben Finger verloren hat, nicht die Hand, wie die Presse behauptete; und hier habe ich die Liste sämtlicher Möglichkeiten, die einer solchen Pforte innewohnen können. Daraufhin muß ich sie jetzt untersuchen. Eine Möglichkeit ist bereits erfüllt, siehe Kriminalkommissar, ich kann sie abhaken. Jetzt untersuche ich die Möglichkeit, daß diese Pforte, anscheinend geöffnet, zurückschlägt und den Besucher einquetscht, vielleicht nur dessen Fuß, vielleicht auch den ganzen Körper, so daß er zwischen Tür und Angel hängt, der Mechanismus könnte in dieser Angel verborgen sein. Und da ist er schon, meine Herren. Odysseus schob eine Eisenstange ein, die Pforte schlug mit Wucht zu. Sehen Sie, und so geht es weiter, Punkt für Punkt, nicht sehr fotogen, stinklangweilig, dafür brauche ich mindestens einen ganzen Tag.
Schrittweise arbeitete sich Odysseus bis zur Eingangstür der Villa vor. Unter den bemerkenswerten Remmschen Scherzen wies er den Reportern einen kybernetischen Drahthaarterrier, mehrere armdicke Schlangen des Boa-Constrictor-Typs und eine automatische Fallgrube vor, verborgen unter einem Blätterhaufen. Michaela stand herum, gähnte und fror. Anzufassen wagte sie nichts, sie hielt sich auf dem Sprung, die Erste Hilfe zu rufen.
Aber Odysseus sagte, als sie von der Villa Remm in sein Appartement gingen, deine Angst war unnötig. Da konnte mir nichts passieren. Hat man einmal das Prinzip durchschaut, hebt man ein Ding nach dem anderen aus. Ich finde, dieser Remm war etwas einfältig, ist alles reiner Schabernack auf Rummelniveau, mühselig auseinanderzupopeln, aber eigentlich primitiv. Der Effekt beruht auf der Überraschung der Opfer. Wenn man bewußt rangeht, ödet es einen an. Michaela gefielen seine Worte nicht, er wird zu selbstsicher, er gerät in Routine, paßt nicht mehr auf, dann sitzt er plötzlich in der Falle.
Ich habe zwar von kybernetischen Phänomenen keine Ahnung, ich kann nicht Mathe und nicht Physik, ich befasse mich -unnützerweise, wie du vielleicht denken wirst
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