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Der Utofant

Der Utofant

Titel: Der Utofant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
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man traurig sein und sich ein neues wünschen, ich hätte mit dir darüber sprechen sollen, war aber nicht daraufgekommen, du sagtest auch, die sache wäre rationell vertretbar , als du das sagtest, war ich glücklich, ich dachte, wir verstehen uns. nachts fiel mir ein, es könnte ruhig rationell unvertretbar sein, das würde mich nicht stören, ich frage dich, kann etwas schön sein, wenn es nicht rationell vertretbar ist? dürfen nur technisch einwandfreie und rationelle Sachen schön sein? findest du andere häßlich? lehnst du sie ab? dürfte etwas nur wenig rationell sein? würde das unsere beziehung stören? würdest du mich auch technisch nicht ganz einwandfrei sympathisch finden? darüber muß man nachdenken, was meinst du, Allfried? vorläufig sehen wir uns nicht, ich möchte, daß du schon nachgedacht hast, wenn wir uns treffen, darum lege ich mein gedachtes in form von zeichen nieder, erschrick darüber nicht, ich mußte es. mir war so. antworte bitte deiner Isa.

    Gesprächskassette nur gegen Sondergenehmigung

    Professor Jeremias setzte sich mit Professor Strungs vom Forschungsinstitut für gegenwärtige und künftige Verhaltensweisen des Menschen in Verbindung. Es lasse sich nicht leugnen, begann er (man findet die Gesprächskassette in den Archiven, doch wird sie nur zu wissenschaftlichen Zwecken und gegen eine Sondergenehmigung ausgeliehen), nicht leugnen lasse sich, daß eine ausgestorbene Verhaltensweise des Menschen plötzlich und unerwartet wieder aufgetreten sei. Zwar sei ihm bisher nur ein einziger Fall bekannt geworden, aber man sollte ihn nicht ignorieren.
    Strungs, etwas jünger als der eisbärtige Jeremias, doch schwer bebrillt, schlug vor, man solle die Verfasserin des Briefes ausfindig machen. Dann könnte man vielleicht herausbekommen, warum ihr Mitteilungsbedürfnis – die heutigen Menschen wiesen solches in Spuren nachweislich noch auf – sich in der antiquierten, ausgestorbenen Form des Briefes (letter, lettre, littera) niederschlug. Sie schreibe selbst, ih r war so . Da kann ein untergründiges Gefühl erwacht sein. Ein schöpferisches. So daß sie die Ausdrucksform des Briefes spontan neu erfand. Sie wäre demnach eine Erfinderin.
    Warum tritt sie mit der Erfindung gerade jetzt auf, fragte Jeremias. Erfindungen geschähen nicht zufällig, sie lägen in einer gesellschaftlichen Notwendigkeit begründet. Sei heute eine solche Notwendigkeit vorhanden? In rückliegenden Jahrhunderten sei das Verkehrs- und Nachrichtenwesen so primitiv gewesen, daß man, um eine persönliche Aussprache durchzuführen, auch eine Nachricht zu überbringen, Stunden, Tage und manchmal Wochen brauchte. Es sei mit Unbequemlichkeiten und hohen Kosten einhergegangen, mit anderen zu kommunizieren, im Gegensatz zu heute, wo die Entfernungen so gut wie Null seien und eine Nachricht Bruchteile von Sekunden brauche, um einzutreffen. Man müsse sich heute, um einen anderen kommunikativ zu bearbeiteten, nicht einmal aus seinem Bett erheben. Man könne ihn plastisch in Naturfarbe vor sich sehen, es sei nicht teuer. So wäre eine Wiedererfindung des individuellen Briefes, der früher ein Ersatz für das Gespräch gewesen sei, unnötig und unbrauchbar.
    Strungs sagte, es sei die Eigenschaft der meisten Erfindungen, unnötig und unbrauchbar zu sein. Sie setzten sich trotzdem durch bzw. würden durchgesetzt. Eben notwendig und brauchbar gemacht . Aus Ihren Worten, Kollege Jeremias, wäre zu schließen, daß sich die Menschen heute öfter als früher besuchen. Öfter und länger auf elektronischem oder direktem Wege sich aussprechen. Kurz: besser und intensiver kommunizieren. Die Forschungen meines Instituts ergeben aber, daß dies nicht der Fall ist. Im Gegenteil. Di e Leute besuchen sich kaum noch. Sie sprechen weniger und oberflächlicher miteinander. Ihr Ausdrucksvermögen hat nachgelassen. Der elektronische zwischenmenschliche Verkehr ist in der letzten Zeit geradezu verkümmert. Da nützt die Werbung der elektronischen Kommunikationsunternehmen nichts:

    SPRICH MAL EIN WÖRTCHEN MIT OMI

    WEISST DU ÜBERHAUPT NOCH, WIE DEIN BRUDERHERZ AUSSIEHT?

    KENNST DU DIE STIMME DEINES GESCHÄFTSFREUNDES?

    DER ZASTER ROLLT NICHT?
EIN KURZER BILDWECHSEL WIRKT OFT
WUNDER

    Bei unseren Umfragen registrieren wir Begründungen:
    Da hat man die störenden Bilder im Zimmer, die passen nicht zur Einrichtung.
Mein Onkel trägt immer giftgrüne Hemden.
Mein Geschäftspartner nölt so.
Muß mich rasieren, bevor ich Bildkontakt

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