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Der Väter Fluch

Der Väter Fluch

Titel: Der Väter Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Kopf.
    Rina fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Als die Nazis mit der Vernichtung der Juden ernst machten, trieben sie alle polnischen Juden in einem Stadtviertel von Warschau zusammen, um sie besser überwachen zu können. Das machte auch das Ausrotten leichter. Aber das ist jetzt nicht wichtig. Vielleicht später.«
    Golding wippte unruhig mit dem Fuß. »Und was hätte es zu bedeuten, wenn mein Vater Polnisch gesprochen hätte?«
    »Hat er denn?«, fragte Rina.
    Golding zögerte ein wenig. »Ernesto hat mir ein paar Schriftstücke gezeigt... es war die Handschrift meines Vaters. Aber es war kein Deutsch. Auch keine romanische Sprache. Möglicherweise könnte es Polnisch gewesen sein.«
    »Nun, das würde bedeuten, dass Ihr Vater entweder aus einer gebildeten, städtischen jüdischen Familie stammte«, folgerte Rina, »oder dass er kein Jude, sondern Pole war.«
    »Woher hatte Ernesto eigentlich seine Informationen?«, wollte Decker wissen.
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Ich...« Goldings Augen wurden wieder feucht. »... ich habe seine Aufzeichnungen aus der Schule noch nicht durchgesehen. Ich schätze, da könnte ich Hinweise finden.« Er seufzte. »Er hat mir erzählt, dass ein Isaac Golding in einem Konzentrationslager in Polen umgekommen ist. An den Namen des Lagers kann ich mich nicht erinnern. Das schien damals auch nicht so wichtig. Vielleicht war die Sprache in den Schriftstücken auch Russisch.«
    »Das hätten Sie gemerkt«, sagte Rina. »Russisch wird mit kyrillischen Buchstaben geschrieben.«
    »Ach ja, natürlich.«
    »In den größeren Städten in Polen gibt es natürlich Archive«, meinte Rina.
    »Ja, ich weiß, aber ich wüsste nicht, wie...« Wieder seufzte er. »Dieser Teil Europas ist mir völlig fremd. Mein Vater... er hat mir einfach keinen Anhaltspunkt über seine Vergangenheit gegeben. Er sagte immer, jetzt sind wir in Amerika, und nur das zählt.
    Er hat sich als Amerikaner betrachtet. Als ich gegen den Vietnamkrieg demonstriert habe, war er sehr wütend auf mich. Er ist zwar nie laut geworden, aber ich glaube, er hielt mich für äußerst undankbar. Der erste Zusatzartikel zur Verfassung und die Redefreiheit waren ihm so fremd wie die ganze Hippie- und Drogenkultur der Sechzigerj ahre.«
    Rina räusperte sich. »Ich wollte ohnehin morgen oder übermorgen zum Holocaust Center. Die Archivare dort sind besonders gut darin, Lücken zu füllen. Wenn Sie mir Ernestos Aufzeichnungen zur Verfügung stellen würden, könnte ich sie mir einmal ansehen...«
    »Aber erst werden wir einen Blick hineinwerfen«, unterbrach Decker sie. Er sah Golding an. »Ich möchte mir gleich heute Morgen die Sachen und das Zimmer Ihres Sohnes ansehen.«
    Golding nickte zustimmend. »Wenn Sie glauben, dass es hilft, diese Bestie zu erwischen. Aber ich habe da so meine Zweifel.«
    »Warum?«
    »Ich denke, dass das alles gar nichts mit meinem Sohn zu tun hatte«, stellte Golding fest. »Dr. Dee Baldwin wurde ganz woanders umgebracht. Meine Junge war einfach zufällig am falschen Ort...« Er wandte sich ab. »Wenn Sie müssen, können Sie sich natürlich sein Zimmer ansehen. Aber ich habe meine Zweifel.«
    »Vielen Dank«, sagte Decker.
    »Und wenn Sie etwas finden, das mit meinem Vater zusammenhängt, geben Sie dann die Aufzeichnungen Ihrer Frau? Damit sie das beim Archivar im Holocaust Center nachprüfen kann?«
    Was sollte Decker darauf antworten? »Mr. Golding...«
    »Carter, bitte!«
    »... Carter, und wenn diese Informationen... für Sie schmerzlich sind?«
    »Ich habe doch schon gesagt, dass nichts so schlimm sein kann wie Ernestos Tod. Ich bin es ihm schuldig. Und ich werde es für ihn tun. Und wenn Sie mir helfen wollen, dann tun Sie es auch für ihn. Doch falls es da einen Interessenskonflikt geben sollte, werde ich einen Privatdetektiv engagieren.«
    »Das könnte nötig werden«, meinte Decker.
    »Vielleicht kann aber Ihre Frau in der Zwischenzeit schon etwas herausfinden.« Golding zog ein Polaroidfoto aus der Tasche, das ihn, einen älteren Mann und zwei Teenager zeigte. »Das aktuellste Foto, das ich von meinem Vater habe. Er war sehr kamerascheu.« Carter sah zu Boden. »Wenn er gesucht wurde, ist das natürlich verständlich.«
    Rina nahm das Foto und betrachtete es - drei Generationen nebeneinander. Großvater Yitzchak zwischen Carter und seinen Enkeln. Carter und seine Söhne hatten Jeans und T-Shirts an und lächelten breit. Der Großvater trug einen altmodischen schwarzen Anzug mit

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