Der Väter Fluch
Egotrip?«
»Ach, hör doch auf!« Schweigen.
Rina warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Bringst du Hannah zur Schule?«
»Wenn du es möchtest.«
»Ihr gefällt es. Sie genießt die Zeit mit ihrem Vater.« Rina stand auf. Decker hielt sie zurück. Sie schlug die Augen nieder.
»Ich hasse das!«, sagte er. »Deinetwegen kriege ich noch Herzrasen.«
»Das ist das Koffein. Oder dein Alter. Aber gib nicht mir die Schuld dafür!«
»Mein Alter? Das war ein Schlag unter die Gürtellinie, Rina! Stimmt zwar... ist aber trotzdem ein Schlag unter die Gürtellinie.«
Das war es tatsächlich. Rina setzte sich wieder. »Tut mir Leid.«
»Ich mach mir Sorgen«, sagte Decker.
»Peter, niemand wird mich verfolgen, nur weil ich versuche, Isaac Goldings wahre Identität herauszufinden.«
»Wahrscheinlich hast du Recht.«
Rina war gerührt über sein Einlenken; seine Angst entsprang der Sorge um sie. Sie küsste ihn auf die Wange. »Peter, das ist dein Fall. Ich habe so viele Verpflichtungen, dass ich mir nicht auch noch einen Streit mit dir aufhalsen will. Okay?«
»Ja, ja.«
»Du lässt mich auflaufen.«
»Ich stecke in einer Zwickmühle. Ich brauche Informationen, zu denen du mir verhelfen kannst, aber ich habe das Gefühl, dass ich meiner Aufgabe als Ehemann und Beschützer nicht gerecht werde, wenn ich dich da mit reinziehe.«
»Warum überlässt du es nicht mir, das zu beurteilen?« Rina geriet ins Stocken.
»Welche Informationen brauchst du denn?«
Gute Frage. Decker überlegte laut: »Tom ist natürlich in der Lage, die nötige Information beim Tolerance Center zu bekommen. Aber da du dieses Präventivkomitee gegründet hast, bin ich davon ausgegangen, dass du schon jede Menge Recherchen zu örtlichen antisemitischen Gruppierungen angestellt hast... Du könntest ihm ein paar Hintergrundinformationen geben, damit er weiß, welche Fragen er stellen muss.«
»Das stimmt.«
»Und wenn du schon mal da bist, kannst du ihm dabei helfen, die richtigen Fragen zu stellen, falls er nicht weiter weiß.«
»Okay.«
»Hinzu kommt: Wenn er jemanden bei sich hat, den er kennt -und sei es auch nur flüchtig -, dann wird er sich weniger wie ein Fisch auf dem Trockenen fühlen.«
»Ich hab kein Problem damit, mit ihm zum Center zu gehen, Peter.«
Decker lächelte schwach. »Ich weiß deine Hilfe wirklich zu schätzen.«
Sie erwiderte sein Lächeln. »Ich weiß.« Pause. »Sonst noch was?«
»Nein, das ist alles.«
»Okay«, sagte Rina. »Aber jetzt hab ich ein Problem. Du musst einen Weg finden, Carter Golding zu helfen, damit es nicht so aussieht, als würde ich mein Wort nicht halten.«
Ein Dilemma. »Wie geht man eigentlich vor, wenn man etwas über ein unbekanntes Konzentrationslageropfer herausfinden möchte?«, fragte Decker.
»Zunächst mal ist Isaac Golding nicht unbekannt. Er hat einen Namen. Und es gibt Listen, Peter. Das Center verfügt über ein umfassendes Archiv.«
»Das heißt, das Einzige, was du machst, wäre ein paar Listen durchzublättern ?«
»Ich weiß es nicht genau.« Rina stand auf und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein.
»Was genau hat Ernesto dir erzählt?«
»Dass es eine Diskrepanz zwischen dem angeblichen Ankunftsdatum seines Großvaters in Argentinien und dem Datum gibt, an dem er dort tatsächlich eintraf. Dann hat er mir noch erzählt, dass er von einem Yitzchak Golding weiß, der im Konzentrationslager umgekommen ist. Ich dachte, dass sein Großvater den Namen vielleicht nur erfunden hatte.«
»Wäre möglich, obwohl es mir nicht wahrscheinlich erscheint. Falls Opa ein Nazi war, der sich nach dem Krieg als Jude ausgeben wollte, was gäbe es dann Besseres, als sich selbst als toter Mann zu präsentieren? Garantiert taucht niemand auf, um das Gegenteil zu behaupten. Woher stammte Ernestos Yitzchak Golding?«
»Keine Ahnung, aber er starb angeblich in einem polnischen Lager.« Decker dachte noch einmal angestrengt nach. »Ich meine, er hätte einen Namen erwähnt. Ich hab das ganze Geständnis auf Band und werde es mir noch einmal anhören und dir den Namen sagen, wenn du versprichst, mich nicht zu verpfeifen.«
»Großes Indianerehrenwort.«
»Es war jedenfalls nicht Auschwitz, daran erinnere ich mich genau. Wenn du mir ein paar andere Konzentrationslager nennst, erkenne ich den Namen vielleicht wieder.«
Sie runzelte die Stirn. »Auschwitz war das wichtigste Lager in Polen. Ich weiß die anderen nicht alle auswendig. Ich hol mal eben die Enzyklopädie des Judentums.«
Sie
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