Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Väter Fluch

Der Väter Fluch

Titel: Der Väter Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
Vom Netzwerk:
früher ein Patient von Mervin Baldwin war?«
    Maryams Miene verdüsterte sich. »Wer hat Ihnen denn das erzählt?«
    »Tarpin«, erwiderte Marge. »Tarpin hat behauptet, dass Holt vor etwa acht Jahren bei Dr. Baldwin in Behandlung war.« Sie verzog das Gesicht. »Aber auch er hat nicht gesagt, bei welchem Doktor. Jedenfalls scheint Holt nicht gerade zu den größten Therapieerfolgen der Baldwins zu zählen.«
    »Auf welche Schule ging er?«, fragte Maryam.
    »Welche Schule}«
    »Welches College. Wissen Sie, welches College Holt besuchte?«
    »Angeblich hat er in Berkeley studiert. Warum fragen Sie?«
    »Weil Holt möglicherweise Merv gar nicht wegen Verhaltensproblemen aufgesucht hat, sondern Dee wegen einer Studienberatung. Und wenn er in Berkeley aufgenommen wurde, war er vielleicht ja doch ein Musterpatient.«
    Sie verteidigte ihre Chefs bis zum Schluss. »Mir wurde zu verstehen gegeben, dass Holt wegen Verhaltensproblemen in die Praxis kam.«
    »Also dann wissen Sie mehr als ich.«
    »Warum finden wir es nicht heraus?«, schlug Marge vor. »Fangen wir doch einfach mit Holts Patientenakte an.«
    »Aus Ihren Fragen schließe ich, dass Sie bezüglich Darrell Holt große Bedenken haben.«
    »Ja. Sie etwa nicht?«
    Jetzt sah Maryam wirklich besorgt aus. Sie fasste sich an die Kehle. Plötzlich wirkte sie klein und verletzlich.
    »Vielleicht sollten wir einen Blick in Holts Akte werfen?«, drängte Marge.
    Maryam knibbelte an ihrem Nagel. »Folgen Sie mir.« Sie holte einen Schlüssel hervor und schloss die Tür zu einem zwei mal zwei Meter fünfzig großen, fensterlosen und von Kunstlicht beleuchteten Raum auf. Sämtliche Wände waren mit Schubladenschränken zugestellt. »Hier bewahren wir die Akten unserer ehemaligen Patienten auf.«
    »Ziemlich viele Akten.«
    Maryam gab keine Antwort. Sie riss die entsprechende Schublade auf und blätterte durch die zahlreichen Hängeregistermappen. Nach wenigen Minuten zog sie eine schmale Mappe hervor, holte die Unterlagen heraus und überflog die Seiten - insgesamt drei oder vier. Dann kam sie zurück und begann, die Akte sorgfältig zu studieren, wobei sie hin und wieder aufseufzte. Ihre Hände zitterten.
    »Darf ich die Akte mal sehen?«, fragte Marge.
    »Hier steht nichts Besonderes drin, Detective.« Maryam zögerte, die Mappe aus der Hand zu geben. Vielleicht hoffte sie, dass die Unterlagen eine Antwort enthielten. »Diese Diagnose...«, ein weiterer Seufzer, »... sie ist mit denen Tausender anderer Teenager identisch, die durch diese Praxis gegangen sind.« Sie schlug mit dem Handrücken auf die Seiten. »Holt war bei Mervin in Therapie. Er scheint ein feindseliger Teenager gewesen zu sein, der ein auflehnendes Verhalten zeigte. Außerdem machte ihm ein nicht bewältigter Ödipuskomplex in Bezug auf seinen Vater zu schaffen, der daher rührte, dass seine Mutter die Familie verlassen hatte. Da er gemischtrassig war, litt er unter einer Identitätskrise... Und mir wirft er vor...«
    »Darf ich die Unterlagen bitte sehen}«
    Maryam blickte auf; ihr Gesicht war schweißbedeckt.
    Marge nahm die Akte an sich. »Vielleicht sollten Sie sich einen Moment setzen, Dr. Estes.«
    »Ja, vielleicht sollte ich das wirklich...« Im Raum stand ein kleiner Klappstuhl. Maryam ließ sich darauf sinken; ihr Kinn fiel auf die Brust. »Ich glaube, dass ich unangemessen heftig reagiere. Ich bin sehr stark beeinflussbar.«
    »Das ist vollkommen verständlich«, beruhigte Marge sie. »Geben Sie mir nur einen Augenblick, um einen Blick in die Akte zu werfen, okay?«
    Als Marge die Notizen überflog, wurde ihr bewusst, dass Maryam improvisiert hatte. Mervin Baldwin hielt nichts von vollständigen Sätzen und benutzte Abkürzungen, wo immer es möglich war. Die Seiten enthielten mehr einzelne Worte und Satzfragmente als ganze Sätze. Das erste Blatt erinnerte an einen Terminkalender auf Rechenpapier: In der linken Spalte befanden sich mehrere Datumsangaben, hinter denen in roter Tinte scheckkartenähnliche Nummern und die Abkürzung VH standen. Aber es waren keine Geldbeträge notiert. In einigen Spalten stand der Begriff »Fortschritt«, aber einige andere trugen auch den Vermerk »Regression«.
    Die eigentlichen Notizen waren auf unliniertem Papier festgehalten. Das erste Blatt trug die Überschrift FAMILIENGESCHICHTE - mit einem roten Filzstift in Blockschrift niedergeschrieben.
    Vom Vater angemeldet. Mutter abw., »»im Alter von zehn Jahren von der Bildfläche verschwunden«, wie V. es

Weitere Kostenlose Bücher