Der Väter Fluch
»Zulassungstestbesprechung für Samstag, den 15., vereinbart.« Sie zeigte Maryam das Papier. »Eine andere Handschrift?«
»Das ist Dees Handschrift. Offensichtlich hat sie mit Holt ein paar Stunden Studienberatung und Testtherapie durchgeführt.«
»Und Dee hat mit ihm eine Testtherapie für diesen bestimmten Samstag vereinbart?«, fragte Marge.
»Ja, sieht ganz so aus.«
»Was genau versteht man unter einer Testtherapie?«
»Ein simulierter Zulassungstest. Dabei geht man gemeinsam alle Fragen durch und erarbeitet die beste Vorgehensweise. Es ist ein Einzelvorbereitungskurs für den Studienzulassungstest.«
»Es gibt Kurse zur Vorbereitung auf den Studienzulassungstest?«
»Ja. Wenn ich mich richtig erinnere, erwähnten Sie, dass Sie eine dreizehnjährige Tochter haben. Sie werden diese Dinge schon noch erfahren.«
»Welche Art von Fragen stellen Sie bei diesen Kursen?«
»Hauptsächlich Fragen, von denen Dee annahm, dass sie repräsentativ für den Test sind.«
»Und woher bekam sie diese Fragen? Von vorherigen Tests?«
»Ganz bestimmt waren auch Fragen von vorherigen Tests dabei. Aber das genügt nicht, denn jeder hat Zugang zu den Tests der vergangenen Jahre. Dee formulierte hauptsächlich ihre eigenen Fragen, immer basierend auf ihrem umfangreichen Wissen über Prüfungssituationen. Ihre Kurse sind so konzipiert, dass sie ihre Patienten nicht nur mit typischen Testfragen vertraut machen, sondern dem Studenten auch zeigen, wie man mit einem Minimum an Prüfungsangst an den Test herangeht und so ein Maximum an Leistung erzielt. Und bevor Sie sich jetzt lustig machen, sollten Sie mal einen Blick auf Dees Ergebnisse werfen.«
»Ich mache mich überhaupt nicht lustig«, widersprach Marge. »Bei diesen Prüfungen herrscht ein enormer Druck. Der gewaltige Druck, bei allen Tests hervorragend abschneiden zu müssen, richtig?«
»Ja, es ist unvorstellbar. Ein Teil des Drucks ist natürlich selbst auferlegt, aber den meisten Druck üben die Eltern aus. Wenn es um ihre Kinder geht, sind sie gnadenlos. Man könnte meinen, dass sie sich selbst um einen Studienplatz bewerben. Wenn die Kinder nicht an dem von den Eltern gewünschten College angenommen werden, betrachten die Eltern das als ihr persönliches Versagen.«
»Warum?«
Maryam seufzte. »Weil sie... bedauerlicherweise... die Leistungen ihrer Kinder als Bestätigung ihres eigenen Status betrachten. Viele dieser Eltern haben keine der Eliteuniversitäten besucht. Daher wünschen sie sich, dass ihre Kinder es einmal besser haben. Und diejenigen, die an diesen Hochschulen studierten, möchten, dass ihre Kinder diese Tradition fortsetzen.« Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Das ist ein sehr emotionsbeladenes Thema...«
»Das ist großer Quatsch!«, rief Marge. »Es gibt auch noch ein Leben neben der Uni.«
»Nicht in dieser extrem wettbewerbsorientierten Welt. Da braucht man etwas, um die anderen zu übertreffen - das gewisse Extra.«
»Und ist es das, was Dee Baldwin verkaufte?«, fragte Marge. »Das gewisse Extra?«
»Sie hat überhaupt nichts verkauft! Sie hat nur den Jugendlichen dabei geholfen, ihr Leistungspotenzial voll und ganz auszuschöpfen!«
»Sie wissen doch, was mit einer Maschine passiert, die ständig auf Hochtouren läuft, oder?«
»Menschen sind keine Maschinen!«
»Aber auch sie können sich ausgebrannt fühlen. Wie viel bezahlen diese Eltern, um das gewisse Extra zu bekommen?«
»Sie zahlen die Therapie und die Studienberatung. Das ist von Kind zu Kind unterschiedlich.«
»Ungefähr.«
»Dreihundertfünfzig die Stunde. Ungefähr das, was Rechtsanwälte nehmen, und dabei tut sie weiß Gott mehr Gutes als jeder Anwalt.« Sie rang die Hände. »Das ist keine leichte Aufgabe - für jeden Jugendlichen die richtige Universität zu finden. Manchmal bestehen die Eltern auf ihrer Wunschuniversität, auch wenn die Aussichten dafür sehr schlecht sind. Schließlich gibt man immer sein Bestes, egal, welches Rohmaterial man zur Verfügung hat. Aber manchmal wollen die Eltern, dass man Wunder vollbringt.«
»Und was passiert, wenn sie herausfinden, dass sie keine Wunder vollbringen können? Was passiert mit diesen Fällen?«
Einen Moment lang herrschte Schweigen. Dann sagte Maryam: »Dee hatte eine hohe Erfolgsquote. Darauf konnte sie immer verweisen.«
»Dee hat das Wort >Harvard< auf Holts Karte geschrieben. Aber Holt ging nach Berkeley«, sagte Marge. »Bedeutet das, dass er nicht die Universität seiner Träume besuchen
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