Der Väter Fluch
hätte ich in einem Jahr bei den Baldwins in die Studienberatung gehen können, wie alle Schüler der zwölften Klasse an der Foreman Prep. Es ist fast schon ein Ritual.«
»Ein Ritual?«
»Das gehört zum Programm, Lieutenant. Wir gehen alle auf die gleiche Schule, haben die gleichen Freizeitaktivitäten, spielen in der gleichen Fußballmannschaft, fahren in die gleichen Sommerlager, gehen auf die gleichen Partys, drängeln uns um die gleichen Mädchen - und wenn die Zeit gekommen ist, gehen wir alle zu den Baldwins. Es ist, als hätten die Eltern Angst, aus der Reihe zu tanzen; denn das könnte möglicherweise bedeuten, dass der Nachwuchs von jemand anderem einen Vorsprung vor dem eigenen hat. Ich liebe meine Eltern, Lieutenant. Ich glaube, sie sind ziemlich... na, Sie wissen schon...«
»Integer?«
»Ja, integer. Aber selbst sie tappen in diese Falle. Sie sagen, dass sie das nur deshalb tun, weil sie unser Bestes wollen. Das stimmt natürlich, aber sie wollen auch nicht, dass wir auf ihre Freunde einen dämlichen Eindruck machen. Es wäre doch peinlich, wenn wir versagen würden. Und hier kommen die Baldwins ins Spiel. Sie bewahren die Eltern vor dieser Situation. Normalerweise kamen wir immer an die Uni, die wir ausgesucht hatten, weil die Baldwins dieses Talent besaßen, die richtigen Jugendlichen für die richtige Schule zu finden, sodass alle glücklich und zufrieden waren. Deshalb ging man zu ihnen in die Studienberatung.«
»Hat vielleicht irgendjemand mal erzählt, dass sie die Jugendlichen nicht mit ganz legalen Mitteln in die jeweiligen Unis bekamen?«
»Nein. Davon hab ich zum ersten Mal aus diesen Briefen erfahren. Aber machen wir uns nichts vor. Die Menschen sehen gezielt weg, wenn sie kriegen, was sie wollen. An was für illegale Sachen dachten Sie denn?«
»Vielleicht hatten sie eine Art Vorsprung bei den Studienzulassungstests.«
Karl machte ein verdutztes Gesicht. »Vorsprung?«
»Insiderinformationen. Vielleicht kannten sie die Testfragen vor allen anderen.«
»Nicht dass ich wüsste«, sagte Karl.
»Ich frage mich, ob das das System ist, von dem Ruby sprach. Dass sie Insiderinformationen hatten.«
»Da wissen Sie mehr als ich«, meinte Karl und ließ sich wieder auf das Bett sinken.
»Ich bin wirklich müde.«
Decker wusste, dass er besser gehen sollte. Aber dies war eine einmalige Gelegenheit.
Er versuchte es mit einer anderen Vorgehensweise. »Du hast erzählt, dass ihr alle auf die gleichen Partys gegangen seid. Hat Ernesto dich mal zu einer der Feten mitgenommen?«
»Sie meinen, zu den Raves?« Karl schnaubte. »Na klar. Bis auf die Nerds und die Weicheier gingen alle von der Foreman zu den Raves. Ich bin nur zum Sehen und Gesehen werden hingegangen, aber ich mochte sie nicht besonders. Ich steh nicht auf Drogen. Und wenn man keine Drogen nimmt, hängt man nur blöd rum. Es ist einfach öde zuzugucken, wie andere sich bekiffen oder Crack reinziehen.«
Wenn es um die wirklich wichtigen Dinge ging, war Karl alles andere als ein Trottel. »Hast du mal einen von Rubys Freunden kennen gelernt?«, wollte Decker wissen. »Ruby kam immer ohne Freunde. Ich glaub noch nicht mal, dass sie überhaupt welche hatte. Ich hab sie nur ein paar Mal mit ihrem Bruder gesehen, Doug dem Kiffer.«
»Also kam sie nicht regelmäßig zu den Partys?«
»Nein. Aber wenn sie auftauchte, zog sie sofort alle Blicke auf sich. Sie sah echt scharf aus. Ich mochte sie nicht, aber ich verstehe, warum Ernesto auf sie abfuhr.« Verwundert schüttelte er den Kopf. »Wenn sie auch nur die Hälfte von dem gemacht hat, worüber sie in den Briefen schreibt, würde ich eines meiner Eier opfern, um mit ihr eine Nacht zu verbringen.« Er zupfte an seiner Augenbraue. »Na ja, vielleicht doch nicht.«
»Ich verstehe, was du meinst.«
»Alle Jungs waren scharf auf sie. Aber nur Ernesto hatte den Mumm, zu ihr zu gehen und so etwas wie ein Gespräch anzufangen. Sich richtig mit ihr zu unterhalten. Meist redete nur sie, und die Jungs hörten zu, hingen regelrecht an ihren Lippen...« Karl unterbrach sich abrupt. Seine Augen wanderten rasch zu Decker, dann wich er dessen Blick aus.
»Ich weiß, dass mein Sohn auch bei einigen dieser Partys war«, sagte Decker.
»Aber nicht sehr oft.« Karl hielt noch immer seinen Blick abgewandt. »Ich hab ihn dort schon ziemlich lang nicht mehr gesehen, bestimmt seit einem Jahr. Er war echt clever und bei allen Mädchen beliebt.«
»Nur nicht bei Ruby«, ergänzte Decker.
»Oh!« Karl
Weitere Kostenlose Bücher