Der Väter Fluch
öffnete ihnen von innen.
Das Schlafzimmer des Hausherrn entpuppte sich als ein knapp einhundert Quadratmeter großer Raum, der ebenfalls eine spektakuläre Aussicht bot und mit weiteren Kunstwerken aufwartete. Dieser Teil der Wohnung sah wie eine unabhängige Einliegerwohnung mit Kochnische - inklusive Herd und Kühlschrank -aus und war mit einer eigenen Multimediaanlage ausgestattet. Diverse Sofas, Sessel, Settees und Chaiselongues standen zu Sitzgruppen arrangiert, aber die Raummitte bildete ein auf einem Podest ruhendes King-Size-Bett mit einer braunen Wildleder-Tagesdecke. Am Kopfteil aus Ebenholz lehnten mehrere übergroße Wildlederkissen, an denen wiederum Holt lehnte, in einen blauen Seidenpyjama gekleidet, der an ihm wie an einem dünnen Kleiderständer herabhing. Die mokkabraune Haut in seinem kleinen, runden Gesicht spannte sich über hohen Wangenknochen und einer breiten Nase. Er hatte dunkelbraune Augen und extrem kurz geschnittenes, schwarzes Haar. Seine Füße steckten in flauschig weichen Socken, und um ihn herum befanden sich diverse Papierstapel, zwei Laptops, mehrere Mobiltelefone, ein Festnetztelefon und ein elektronischer Ticker - die neongrünen Symbole flimmerten in Deckers Augen. »Auslandswerte.« Holt tippte etwas, während er sprach beziehungsweise schrie, um die Musik zu übertönen. »Gott hat vierundzwanzig Zeitzonen geschaffen, damit es immer irgendwo eine Börse gibt, die es zu beobachten gilt.« Er blickte auf und lächelte. »Ein kleiner Scherz. Nehmen Sie doch bitte Platz, Lieutenant Decker. Es stört Sie doch nicht, wenn ich weiterarbeite, während wir uns unterhalten? Ich bin ziemlich geschickt darin...« - Tipp, tipp, tipp - »... mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen. Und außerdem...« Eines der Mobiltelefone klingelte. Er nahm ab, sprach seine Order hinein und legte wieder auf.
»... glaube ich nicht, dass wir viel miteinander zu besprechen hätten.«
»Ich kann Sie kaum verstehen.«
»Ich Sie dafür ganz wunderbar.«
Der Mann war nicht gewillt, die Musik leiser zu stellen. Daher schrie Decker über den Lärm hinweg: »Kann ich mich auf die Bettkante setzen?«
»Selbstverständlich.«
Wundersamerweise wurde die Musik plötzlich leiser. Überrascht blickte Holt hoch und sah den Butler in der Nähe der Multimediaanlage. Er wollte gerade etwas sagen, besann sich dann aber eines Besseren.
»Kann ich etwas für Sie tun, Sir?«, fragte der Butler.
»Ach ja, George. Zwei Tassen...« Holt wandte sich an Decker. »Wäre Tee genehm?«
»Gern.«
»Zwei Tassen Earl Grey, George, teinfrei. Es ist schon ziemlich spät, oder? Ich habe nicht die geringste Ahnung, in welcher Zeitzone ich mich befinde. Aber ich sehe, dass es schon fast ganz dunkel ist. Wie spät haben wir?«
»Halb neun, Sir.«
»Dann reich doch noch etwas Buttergebäck dazu, George.« Währenddessen tippte Holt weiterhin auf seinem Laptop herum. »Tee und Buttergebäck. Ausgezeichnet.«
»Sehr wohl, Sir.«
Die Doppeltür schwang auf und schloss sich wieder hinter dem Butler.
»Nein, ich weiß nicht, wo...« Holt tippte aufgeregt. »Ja! Lassen Sie mich nur eben...« Wieder tippte er etwas und wartete. »Nur einen Moment noch. Ich möchte nur sichergehen, dass dieser Auftrag durchgeht... Na also. Sehr schön. So, zurück zu Ihnen, Lieutenant. Ich weiß nicht, wo Darreil sich aufhält. Ich habe jeglichen Kontakt zu ihm verloren und ihn seit bestimmt drei, vier Jahren nicht mehr gesehen. Früher besaß er ein Treuhandkonto, sodass wir ihn mithilfe der Bank hätten aufspüren können. Aber soweit ich weiß, existiert dieses Konto seit etwa einem Jahr nicht mehr.«
»Sie hatten also vor vier Jahren das letzte Mal Kontakt zu Ihrem Sohn?«
Holt nahm ein weiteres Telefonat an, drehte sich zur Seite, flüsterte, legte auf und nahm sofort das nächste Gespräch an. Flüster, flüster, flüster. Er tippte etwas, rief jemanden an, flüsterte wieder und tippte erneut. Nach ein paar Minuten sagte er: »Ja, ich glaube, das ist schon so lange her. Direkt nachdem er aus dem Norden zurück nach Los Angeles kam. Als er sich mit dieser lächerlichen faschistischen Gruppierung einließ.« Holt lachte. »Verglichen mit durchschnittlichen Afroamerikanern ist Darreil sehr hellhäutig. Aber der Junge ist kein Weißer, so viel steht fest.«
»Nach allem, was ich gehört habe, hat er nie behauptet, ein Weißer zu sein. Er erklärt meinen Männern, er sei ein Akadier.«
»Na, das ist ja ein toller Witz.« Holt lachte erneut.
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