Der Vampir, den ich liebte
und stellte das Eis auf die
Theke. Seine Stimme wurde weicher. »Ich habe nur versucht ...«
»Ich weiß,
was du versucht hast«, fiel ich ihm ins Wort. »Du versuchst es jeden Tag.«
Wir
starrten einander an. Lucius wollte die Hand nach mir ausstrecken, hielt jedoch
mitten in der Bewegung inne. Er ließ die Hand fallen.
»Hör mal,
wir müssen uns mal ernsthaft unterhalten«, sagte ich.
»Über diese ganze Sache mit dem ›Pakt‹. Das ›Werben‹.«
Lucius war
einen Augenblick lang still. Er schien über meine Worte nachzudenken. Zu meiner
großen Überraschung stimmte er mir schließlich zu. »Ja. Das sollten wir wohl.«
»Jetzt.«
»Nein«,
sagte er und griff wieder nach der Möchtegern-Eiscreme. »Morgen Abend. In
meinem Appartement. Ich muss dir etwas zeigen.«
»Was?«
»Das ist
eine Überraschung. Eine weitere der größten Freuden des Lebens. Meistens
jedenfalls. Na ja, manchmal.«
Der Gedanke
an eine Überraschung behagte mir nicht. Ich hatte in letzter Zeit genug
Überraschungen erlebt. Aber ich nickte trotzdem. Es war mir egal, ob Lucius mir
die Besitzurkunde seiner Burg, eine Schafsherde – oder was immer sie in
Rumänien als Mitgift benutzten – und einen Diamantring anbot. Ich würde ihn
bei dieser Gelegenheit ein für alle Mal davon überzeugen, dass unsere
»Verlobung« völliger Schwachsinn war.
»Also, dann
bis morgen Abend«, sagte ich, während ich die Theke abwischte. »Und wasch dein
Geschirr ab, wenn du fertig bist.«
»Gute
Nacht, Jessica.«
Ich wusste,
dass ich die Schüssel beim Frühstück in der Spüle vorfinden würde.
Als ich
später am Abend im
Bett lag und schon halb schlief, dachte ich über Moms Behauptung nach, dass Abscheu
sich in Verlangen verwandeln konnte. Was für ein Quatsch! Niemand glaubte
heutzutage noch an Alchemie. Aus Steinen oder Blei ließ sich nun einmal kein
Gold gewinnen.
Aber im
Schlaf träumte ich von Lucius. Wir standen in der Küche meiner Eltern und er
hielt mir diesen Löffel vors Gesicht. Nur dass er nun nicht länger voll gefrorenem
Tofu war. Auf dem Löffel war die cremigste, leckerste Schokoladensauce, die
man sich nur vorstellen konnte.
»Iss«,
drängte Lucius mich und drückte mir den Löffel sachte an die Lippen.
»Schokolade ist eine der größten Freuden des Lebens.« Seine schwarzen Augen
glänzten. »Wie gesagt eine davon.«
Ich wollte
protestieren. Ich bin zu fett ... zu fett ... Aber da war dieser
Löffel, direkt vor meinem Mund, und die Schokolade, die zu tropfen begann,
wirkte so verführerisch. Kein sterbliches Wesen hätte widerstehen können. Ich
musste einfach probieren. Es fühlte sich an wie Seide auf meiner Zunge. Ich
hätte schwören können, dass ich die Schokolade im Schlaf schmeckte. Ich
umklammerte Lucius' Hand, hielt sie fest und schloss die Augen, während ich
mir den Rest der Süßigkeit auf der Zunge zergehen ließ. Als ich fertig war und
die Augen aufschlug, war der Löffel verschwunden und da waren nur noch Lucius
und ich, meine Finger mit seinen verhakt, meine weiche Brust – meine Kurven – an seinen starken Körper geschmiegt.
Er lächelte
mich an und zeigte diese erstaunlichen, unwirklich weißen Zähne. »Das hast du
doch nicht bereut?«, fragte er und begann, mit dem Mund meinen Hals zu küssen.
Meine Kehle. »Es war perfekt, oder?«, flüsterte er mir ins Ohr. Dann schlang
Lucius seine kraftvollen Arme um mich, zog mich an sich ...
Und dann
wachte ich auf.
Es war früh
am Morgen und das Sonnenlicht fiel durch mein Fenster. Mein Atem ging in
schnellen Stößen. Wow.
Ich rollte
mich auf die Seite, zog die Knie an und kehrte ziemlich unsanft in die Realität
zurück, als die Sonnenstrahlen auf etwas Glänzendes auf dem Boden vor meiner
Tür fielen. Ein silbernes Lesezeichen, das aus einem Buch ragte. Einem dünnen
Büchlein.
Es hatte
noch nicht dort gelegen, als ich eingeschlafen war. Irgendjemand hatte das Buch
offenkundig unter der Tür hindurchgeschoben.
Ich kroch
unter meiner Decke hervor, nahm es in die Hand und drehte es um, um den Titel
zu lesen: Jung und Untot. Alles, was ein Vampir über Dates, Gesundheit und
Gefühle wissen muss. Am oberen Rand des Lesezeichens waren in kühnen
Lettern die Buchstaben LV eingraviert.
Oh Gott,
nein. Das Handbuch,
von dem Lucius am Tag unserer ersten Begegnung gesprochen hatte. Ich erinnerte
mich an seine Bemerkung – unmittelbar nachdem er von seinen Plänen gesprochen
hatte, mich zu beißen.
Ich ließ
mich auf den Boden sinken und starrte das
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