Der Vampir, den ich liebte
aus. »Das hat für mich keinen
Reiz.«
»Es war
lustig. Es gab Spiele und wir ...«
»Könntest
du irgendwann einmal nur für eine Minute das Leben aus meiner Perspektive
betrachten?«, unterbrach Lucius mich ein wenig scharf. »Darüber nachdenken,
wie ich mich fühle?« Er drehte sich zu mir um und seine Augen glühten schwach
wie die der Kürbislaterne, die wie jedes Halloween vor unserer Tür stand.
»Schaust du eigentlich jemals über deinen eigenen Horizont hinaus?«
»Was? Hast
du ... Heimweh oder so?«
»Etwas in
der Art, ja.« Der Funke in seinen Augen erwachte zum Leben. »Verdammt noch
mal. Ich lebe in einer Garage, fernab von allem, was ich bisher gekannt habe.
Ich werde hierhergeschickt, um eine Frau zu umwerben, die mir einen Bauern vorzieht
...«
»Jake ist
ein absolut netter Kerl, Lucius.«
Lucius
schnaubte abermals. »Ist es das, was du vom Leben willst? Nettigkeit? Muss
alles nett sein?«
»Nett ist
... nett«, protestierte ich.
Lucius
schüttelte den Kopf. »Oh, Antanasia, ich könnte dir Dinge zeigen, die
Nettigkeit so weit übersteigen, dass sie die Gedanken in deinem hübschen Kopf
ordentlich durcheinanderwirbeln würden.«
Plötzlich
veränderte sich seine Stimme. Sie wurde noch tiefer und rauer. Es lag etwas
darin, das ich noch nie zuvor bei ihm gehört hatte, jedoch instinktiv erkannte. Sexuelle Macht. Lust. Verlangen. Ein gereiztes, wütendes, frustriertes
Verlangen.
»Lucius ...
vielleicht sollten wir reingehen.«
Aber er
rückte nur näher an mich heran und sprach noch leiser, immer noch mit diesem
Anflug kaum unterdrückter Frustration. »Ich könnte dir Dinge zeigen, die dich
dazu bringen würden, alles zu vergessen, was du hier kennst, in deinem sicheren
kleinen Leben ...«
Ich
schluckte hörbar. Was kann er mir zeigen? Dinge, die Nettigkeit übersteigen?
Will ich es überhaupt wissen? Ja. Nein. Vielleicht.
»Lucius
...«
»Antanasia.«
Er war jetzt ganz nah und ich stellte fest, dass er schwer atmete – und ich
ebenfalls. Ich atmete die Macht ein, die er in jeder Sekunde verströmte,
spürte, wie besonders er war. »Denkst du niemals über diesen Teil von
dir nach? Den Teil, der Antanasia ist?«
»Antanasia
ist nur ein Name ...«
»Nein.
Antanasia ist eine Person. Ein Teil von dir.« Dann strich Lucius mit den Daumen
über meine Wange und ich schloss die Augen. Mir war schwindelig und ich
schwankte, als sei ich eine Kobra im Bann eines Schlangenbeschwörers. Ich
wusste, ich sollte aufhalten, was immer da gerade geschah, aber ich saß
einfach nur da und schwankte.
»Diese andere
Hälfte von dir. Diese Hälfte würde sich nicht mit ›nett‹ begnügen«, sagte
Lucius leise. Er nahm mein Kinn in eine Hand, sodass ich seinen Atem auf meinem
Mund spüren konnte. Kühl und nah. »Als ich es endlich gesehen habe, diesen
Teil deines Wesens, deinen Geist, als du dieses Kleid angezogen hast ... du
siehst so schön aus in diesem Kleid. Es verwandelt dich ...«
Mein Kleid
... ich hatte angefangen, das Gefühl von Macht zu genießen, als die Jungen mir
auf der Party hinterhergeschaut hatten. Aber bei Lucius spürte ich, wie diese
Macht mir entglitt, auf ihn überging. Er gab den Ton an, so sicher, wie er es
bei seinem halbwilden Pferd tat. Und das war beängstigend. Ich leckte mir die
Lippen, mein Bauch war ganz angespannt von dieser seltsamen Mischung aus
Hunger und Verachtung und Furcht, die ich verspürt hatte, als er mir zum ersten
Mal oben in seinem Zimmer diese Zähne gezeigt hatte.
Wird er
es wieder tun? Wird er? Sollte er?
»Antanasia.«
Seine Lippen berührten leicht die meinen und ein heftiges Verlangen durchzuckte
mich, ähnlich dem Verlangen in meinem Traum nach dieser dekadenten,
unwiderstehlichen, verbotenen Schokolade. Nein ... ich habe gerade Jake
geküsst ... ich will Lucius nicht wollen ... Er verkörperte alles, was ich nicht wollte. Er hielt sich für einen gottverdammten Vampir. Und doch
spürte ich, wie ich mich jetzt an ihn drückte, nahm wahr, wie meine Hand
sich aus eigenem Antrieb hob, um sein Kinn zu streicheln, dort, wo die Narbe
war, ein gezackter Pfad glatter Haut, der sich durch die rauen Bartstoppeln
schlängelte. Die Gewalt in seiner Kindheit ... sie hat ihn so hart gemacht.
Vielleicht sogar gefährlich?
Lucius
legte mir einen Arm um die Schultern, wieder strich er über meine Lippen,
weniger sanft diesmal. Selbst sein Mund war hart. Aber ich wollte mehr davon.
»So, Antanasia«, murmelte er. »So sollte es sein ... nicht nett ...«
Er
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