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Der Vampir, den ich liebte

Der Vampir, den ich liebte

Titel: Der Vampir, den ich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Fantaskey
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die Berggipfel
peitschte, Gipfel, die immer weiter in der Ferne verschwanden ...
    Ich riss
die Augen auf.
    Einige
Minuten lang blieb ich im Bett liegen und ließ es zu, dass der Traum sich in
meinen Gedanken ausbreitete. Sich setzte und vertraut wurde.
    Nach und
nach akzeptierte ich ihn.
    Dann trat
ich die verhedderten Decken beiseite, schwang die Füße auf den kalten Holzboden
und tappte zu meiner Kommode.
Ich zog die untere Schublade heraus, so leise ich konnte.
Blind wühlte ich in einem Stapel aussortierter T-Shirts herum, bis meine Finger
fanden, was ich suchte.
    Das Buch,
das Lucius mir gegeben hatte. Ich nahm es heraus und schlich zu meinem
Schreibtisch, wo ich die Lampe anknipste.
    In dem
schwachen Lichtkreis las ich den inzwischen vertrauten Titel. Mit überraschend
ruhigen Fingern blätterte ich
die Seiten um, auf der Suche nach dem wächsernen Umschlag, der immer noch im
hinteren Teil des Buches steckte, etwa vierzig Seiten hinter Lucius' schwerem
silbernem Lesezeichen.
    Als ich das
schmale Päckchen gefunden hatte, nahm ich es vorsichtig heraus. Es wirkte so
zart – fast zu kostbar, um es zu berühren. Mit zwei Fingern griff ich hinein
und zog den Inhalt hervor. Das Foto.
    Mir stockte
der Atem, als mein Blick auf eine Frau in einem dunkelroten Seidenkleid fiel.
Sie hatte eine förmliche Pose eingenommen und ihre Haltung wirkte edel,
aufrecht, aber
entspannt, die Schultern zurückgezogen, das lockige schwarze Haar auf dem Kopf
aufgetürmt und von einem silbernen Diadem eingerahmt. Ihre Nase war ein wenig
groß und ihr Mund eine Spur zu breit, um auf klassische Weise schön zu sein.
Der Anflug eines Lächelns umspielte ihre Lippen, als hätte ihr jemand einen
Witz erzählt, über den sie gern gelacht hätte, obwohl man sie dazu ermahnt
hatte, ernst zu sein. Königlich zu wirken.
    Ein kleiner
dunkler Edelstein schien genau an der Stelle zu schweben, an der ihr Brustbein
und ihre Kehle zusammenliefen; die Kette selbst war zu fein, um sie auf dem
Bild wahrnehmen zu können.
    Meine
Mutter.
    Ich schaute
genauer hin. Ihre Augen ... ich hatte eindeutig ihre Augen.
    Das Gleiche
galt für ihre Nase. Ihren erheiterten Mund.
    Ich
erkannte jede Einzelheit von Mihaela Dragomirs Gesicht, als hätte ich sie erst
vor ein paar Stunden noch gesehen ... Vielleicht weil ich genau das getan
hatte – im Spiegel.
    Und doch
unterschied sich die Frau auf dem Foto von mir. Sie hatte eine besondere
Eigenschaft, die besser war als klassische Schönheit. Sie besaß ...
Ausstrahlung.
    Lucius'
Bemerkung von vor ein paar Wochen fiel mir wieder ein. »Amerikanerinnen.
Warum wollt ihr alle fast unsichtbar sein? Warum keine körperliche Präsenz in
der Welt haben?«
    Selbst auf
einem alten Foto besaß meine Mutter genau das. Präsenz. Mihaela Dragomir
war faszinierend. Der Typ Frau, der alle Augen auf sich zog, wenn sie einen
Raum betrat.
    Ich drehte
das Foto um, um zu sehen, ob es datiert war, aber es stand nichts auf der
Rückseite, daher betrachtete ich wieder
Mihaela, studierte ihr Gesicht ausgiebig und hörte die Traumstimme in meinem
Kopf. Ich schwelgte in dem lange verstummten Schlaflied meiner leiblichen Mutter
und zwang mich, ihren Schrei des Verlusts auszuhalten. Wieder und wieder und
wieder. Schrie sie, weil sie ihr eigenes Leben verlor? Oder weil sie mich
verlor? Schrie sie, weil wir auf ewig voneinander getrennt wurden?
    Als die
Last unserer gemeinsamen Vergangenheit mich zu sehr zu bedrücken begann, schob
ich das Foto zurück in den Umschlag. Ich traf auf Widerstand, als befände sich
noch etwas anderes darin. Vorsichtig legte ich das Foto auf meinen
Schreibtisch, drehte den Umschlag um und schüttelte ihn sanft. Ein kleiner
Streifen fast durchsichtigen Papiers flatterte in meine Hand.
    Ich
erkannte die Schrift. Es war die gleiche, die ich im September auf der weißen
Tafel in Mrs Wilhelms Kurs gesehen hatte: VLADESCU. Dieselbe Schrift
befand sich auf dem Innendeckel meines Vampirhandbuchs.
    Ist sie
nicht schön, Antanasia?
Ist sie
nicht mächtig?
Ist sie nicht königlich?
Ist sie
nichtgenau wie DU?

    Es war
beinahe wie ein
Gedicht. Eine Ode. An mich.
    Ich las es
noch einmal, obwohl ich es mir gleich beim ersten Mal eingeprägt hatte, dann
schob ich Lucius' Zettel zurück in den Umschlag, gefolgt von dem Foto, und
steckte den Umschlag zurück in das Handbuch, das ich auf meinen Schreibtisch
legte. Schließlich drehte ich mich auf meinem Stuhl um, wobei mein Blick an dem
großen Spiegel an meiner Zimmertür hängen blieb und

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