Der Vampir, den ich liebte
habe
es gar nicht klingeln gehört«, gestand ich, richtete mich auf und ließ mir das
Telefon geben. Ich hatte im Bett gelegen, an die Decke gestarrt und wieder einmal
über treulose Vampire nachgedacht und darüber, dass mein Gehirn sich langsam
aufzulösen schien. Wenn mein Leben doch einfach wieder normal sein könnte!
»Hallo, Jake«, sagte ich in den Hörer, mit weniger Begeisterung, als ich wohl
eigentlich hätte aufbringen sollen. »Was gibt's?«
Ich
sollte mich von Jake trennen. Ich
wusste es und doch hatte ich es bisher noch nicht getan. Warum? Worauf wartete
ich?
»Hallo,
Jess«, antwortete Jake. »Ich rufe nur an ... Also, ich wollte nur wissen, ob
unsere Verabredung für den Weihnachtsball noch steht. Ich hab dich in letzter
Zeit nicht oft gesehen ...«
»Ja, ich
hatte eine Menge um die Ohren«, sagte ich. »Aber ich finde, wir sollten uns mal
treffen, um zu reden...«
Draußen
hörte ich ein lautes Kreischen, dann Gelächter. Ich zog den Vorhang beiseite.
Lucius und Faith waren im Garten und lieferten sich eine wilde
Schneeballschlacht. Während ich die beiden beobachtete, hob Lucius Faith hoch,
warf sie in einen Schneehaufen, den unser Pflug zurückgelassen
hatte, und rieb Schnee in ihre rosafarbene Wollmütze. »Oh, Lucius«, schrie sie
und trat nach ihm. »Du bist so ein Mistkerl!«
Ja,
Lucius ... Ja, das bist du.
»Jess – bist du noch dran?«
»Oh, sorry,
Jake.« Ich ließ den Vorhang fallen. »Ich bin noch dran.«
»Ich wollte
nach dem Ball fragen, weil ich ja noch einen Smoking leihen muss ...«
Im Garten
erklangen weitere entzückte, gespielt entsetzte Kreischlaute.
Jake fügte
ein wenig unsicher hinzu: »Ich hoffe wirklich, dass du immer noch hingehen
willst, Jess.«
Was für
ein netter Kerl. Ein furchtbar netter Kerl ...
Unter
meinem Fenster kreischte Faith: »Fass mich nicht an!« Es klang, als wollte sie
genau das Gegenteil.
Ich
umklammerte das Telefon und zwang mich, mich auf Jake zu konzentrieren. War ich
mir wirklich sicher, dass ich mit ihm Schluss machen wollte? War mein
Leben vorbei, nur weil ich von einem arroganten ausländischen Austauschschüler
einen Korb bekommen hatte? Einem Austauschschüler, der mich fast verführt
hatte, nur um dann zu behaupten, dass es ein »Fehler« gewesen wäre? Würde ich
mein ganzes letztes Highschool-Jahr darauf verschwenden, im Bett zu liegen und
mich wegen eines Vampirs zu grämen, verdammt noch mal? Nein, würde ich
nicht.
»Natürlich
will ich hingehen, Jake«, sagte ich und zwang mich, fröhlicher zu klingen, als
ich mich fühlte. »Ich freue mich darauf.«
Selbst
durch das Telefon war seine Erleichterung deutlich zu hören. »Toll. Dann werde
ich mir morgen meinen Smoking holen. Wenn du dir sicher bist ...«
Hört
Faith Crosse denn nie auf, in meinem Garten rumzukreischen?
»Natürlich
bin ich mir sicher, Jake«, antwortete ich. Bevor wir auflegten, fügte ich noch
schnell hinzu: »Wir werden bestimmt jede Menge Spaß haben.«
Ich
streckte mich wieder auf meinem Bett aus, zog mir das Kissen übers Gesicht und
hielt mir die Ohren zu, um nicht länger mit anhören zu müssen, wie viel Spaß
mein ehemaliger, mir durch einen Blutspakt versprochener Verlobter und Faith
draußen hatten.
Während ich
dalag und die beiden hasste, begannen meine Zähne zu schmerzen. Zuerst war es
nur ein kleiner, dumpfer Schmerz, aber wann immer die Geräusche von Lucius' und
Faiths Schneeballschlacht an meine Ohren drangen, wurde der Schmerz stärker. Es
fühlte sich an, als zogen und zerrten meine Zähne an meinem Kiefer, um sich Platz
zu verschaffen. Ich wollte sie packen und ausreißen, hätte alles dafür getan,
dass sie sich verwandelten, damit dieser furchtbare Schmerz endlich nachließ.
Schließlich
rollte ich mich von meinem Bett, durchwühlte meine Kommode nach dem
Vampirhandbuch und fuhr dann mit dem Finger das Inhaltsverzeichnis entlang, bis
ich gefunden hatte, was ich suchte: Kapitel 9: »Reißzähne leicht gemacht!«
Ich schlug
die entsprechende Seite auf.
»Im
Alter von etwa siebzehn Jahren verspüren die meisten Mädchen zum ersten Mal
Schmerzen an den Zähnen. Bei einigen ›Frühentwicklern‹ können sich diese
Veränderungen allerdings auch schon mit sechzehn bemerkbar machen! Die
Schmerzen treten häufig, wenn auch nicht ausschließlich, in Zeiten von
emotionalem Stress auf, nicht unähnlich deinem ersten Durst nach Blut.
Versuche, Geduld zu haben und das ›dentale Unbehagen‹ als Teil deiner Entwicklung
zum Vampir zu
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