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Der Vampir

Der Vampir

Titel: Der Vampir
Autoren: Carter Brown
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einem weiteren
Geheimgang befand, was nicht eben eine Überraschung darstellte, aber dieser
hier schien nach zwei Seiten zu führen, so daß ich die Wahl des Weges hatte.
    Ich beschloß, mich nach rechts
zu wenden, denn links verstieß gegen meine politischen Überzeugungen — sollte
ich vielleicht die Konsequenzen eines guten Trendex -Resultats
mit jedermann teilen?
Nachdem ich etwa fünfzig Schritte gegangen war, entdeckte ich, daß dieser Gang
über einen ganz neuen Trick verfügte — über eine Treppe. Ich fand das auf die
harte Tour heraus, indem ich die oberste Stufe verfehlte und den Rest bis zu
ihrem Ende hinabpurzelte. Eine Weile lang blieb ich einfach sitzen, bis ich
sicher sein konnte, nicht tot zu sein, hievte dann die Masse blauer Flecken,
die Larry Baker darstellten, hoch und tappte erschöpft weiter.
    Der Fortschritt verlangsamte
sich danach, da ich mich mit vor meinem Gesicht ausgestreckter Hand Schritt um
Schritt versicherte, daß sich noch fester Grund unter meinen Füßen befand. Ich
ging nur weiter, weil mir sonst nichts zu tun übrigblieb. Die Oberfläche der
Wand neben mir wurde zunehmend feuchter, je weiter ich mich vortastete; und
nach einer Weile vermied ich, sie zu berühren, denn das Gefühl feuchten Moders
unter den Fingern gab hier in der Finsternis zu allerlei Phantasievorstellungen
Anlaß. Mein Kopf schlug gegen etwas Hartes, das weh tat ,
und meine tastenden Finger lösten das Rätsel — es war die Decke. Das
verschaffte mir ein paar großartige Sekunden, in denen mein Herz praktisch zu
schlagen aufhörte. Vielleicht hätte ich mich von vornherein nach links wenden
sollen, dachte ich trübselig, aber nun war es zu spät, meine politischen
Anschauungen zu verleugnen. Also drang ich entschlossen weiter vor, bis ich
schließlich auf allen vieren weiterkroch und damit rechnete, jeden Augenblick
mich Napoleons Maxime von der auf dem Bauch marschierenden Armee unterwerfen zu
müssen. Etwa eine Minute später war es genau das, was ich tat.
    Ein paar Meter weiter vorn hob
sich die Decke wieder an, jedenfalls ausreichend, um auf allen vieren
weiterkriechen zu können, und nach ein paar weiteren Metern sah ich in einiger
Entfernung ein trübes Licht, das mich zu einer Art Vierbeiner-Trott
inspirierte, wie ein treuer alter Hund, der soeben den Postboten gesichtet hat.
Knapp sieben Meter von dem Lichtviereck entfernt war der Schein so hell, daß
ich einen abzweigenden Nebengang erkennen konnte, der aufwärts führte. Aber
dort war es dunkel, und so ignorierte ich ihn und hielt mich an das
Lichtquadrat. Als ich nahe herangekommen war, stellte ich fest, daß das, was
ich für eine Sinnestäuschung gehalten hatte — nämlich die schwarzen vertikalen
Stangen — , durchaus Realität war. Die viereckige
Öffnung war durch eine Reihe senkrecht verlaufender Eisenstäbe, die im Abstand
von etwa zehn Zentimetern fest in den Stein eingelassen waren, aufs
wirkungsvollste versperrt. Meine Chancen, mich durch sie hindurchzuwinden ,
waren nicht größer als die, bei der nächsten Wahl Miss Universum zu werden.
    Ich kroch die beiden letzten
Meter bis zu den Eisenstangen und starrte sehnsüchtig durch sie hindurch, wobei
ich ein schweigendes Gelübde ablegte, daß der Zoo in Bronx in Zukunft auf Larry
Bakers Gönnerschaft zu verzichten habe und selbst sehen sollte, wie er ohne sie
zurechtkam. Ein weiterer Blick, und ich war beinahe froh, daß zwischen mir und
dem, was sich auf der anderen Seite befand, Eisenstangen waren.
    Die viereckige Öffnung mußte
auf der anderen Seite hoch in der Wand angebracht sein, so daß ich in eine Art
Keller hinabblickte. Mir gegenüber führten in den Stein gehauene Stufen
aufwärts, vermutlich zum Erdgeschoß des Schlosses. Die anderen Wände waren naß und tropften von schleimigem Wasser, das über grünen
Moder und weißen Schimmelbelag rieselte. — Wer, zum Teufel, hätte daraufhin
jemals wieder Pilze gegessen? Aber der eigentliche Clou war das Mittelstück:
eine altertümliche riesige hölzerne Truhe stand auf dem Steinboden, und auf
ihrem geschlossenen Deckel lag ausgestreckt ein Vampir. Er lag da, die Augen
geschlossen, und nicht eins der glänzenden schwarzen Haare auf seinem Kopf war
in Unordnung. Sein kalkweißes Gesicht schien zu einer starren Form verkrampft
zu sein, und selbst die aus seinem Mund hervorragenden Wolfszähne strahlten eine
gewisse Niedergeschlagenheit aus. Es war Nigel Carlton, das wußte ich, aber
nicht einmal das hatte etwas Beruhigendes.
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