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Der Vampir

Der Vampir

Titel: Der Vampir
Autoren: Carter Brown
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Vielleicht hatte er meine
Kleiderkammer satt gehabt und war hier heruntergekommen, um seinen Nachtschlaf
zu halten? Ich versuchte mühsam, mich selber davon zu überzeugen, daß dies der
Sachverhalt war; aber ich wußte, daß nicht einmal ein Nigel Carlton sich einen
solchen Ort aussuchen würde, um eines geruhsamen Nachtschlafs zu pflegen. Der
Löwenkäfig im Zirkus wäre dem vorzuziehen gewesen.
    Ich starrte ungefähr eine halbe
Minute lang auf ihn hinab und hörte dann ein leise schlurfendes Geräusch, das
so ziemlich die Hälfte meiner Nervenenden durchsägte. Ein Paar Hosenbeine kam
auf den Steinstufen in Sicht, und dann folgte der Rest der großen leichenähnlichen
Gestalt. Ein Blick auf den kahlen Schädel und das gelbliche fleischige Gesicht
reichte aus, um das Gespenst als den Butler zu erkennen — Farthingale .
Dadurch wurde mir nicht wohler. Ich beobachtete ihn mit makabrer Faszination,
als er langsam zu dem schlafenden Vampir hinüberschritt, vor ihm stehenblieb
und ein paar Sekunden lang auf ihn hinabblickte.
    Dann — während mein Haar weiß
wurde — schob er die Hände unter Nigel Carltons Körper und schubste ihn
gelassen vom Truhendeckel hinab. Der Körper des Vampirs schlug mit einem
häßlich knirschenden Laut auf dem Boden auf, rollte ein Stück weit und blieb
schließlich auf dem Rücken liegen. Wenn mich das schockierte, so war Nigel
Carlton jedenfalls keineswegs schockiert. Er machte sich noch nicht einmal die
Mühe, die Augen zu öffnen oder seine Wolfszähne in Ordnung zu bringen, die sich
bei seinem Fall verbogen hatten. Sein kalkweißes Gesicht war noch immer von
derselben Starre, und kein Muskel hatte gezuckt. Niemand konnte eine solche
Behandlung schlafend überstehen, überlegte ich, es sei denn, er sei tot — und
damit riß der Rest meiner Nervenenden.
    Farthingale schlug den Deckel der Truhe
auf, blickte hinein und grinste auf den mir unbekannten Inhalt hinab. Das war zuviel für mich. Ich nahm an, daß er vermutlich drei
weitere Leichen in der verdammten Truhe liegen hatte, und ich wollte nichts als
fort. Also wich ich vorsichtig von der vergitterten Öffnung zurück, bis ich die
Abzweigung des Tunnels erreichte, und begann dann, diese emporzukriechen ,
wobei ich mir überlegte, daß in diesem Fall Dunkelheit besser war als Licht.
Der Gang führte zunehmend steiler nach oben, und die Decke über meinem Kopf
wurde immer höher, bis ich schließlich wieder stehen konnte. Ich fühlte mich
schon beinahe glücklich, als meine Hand gegen eine Wand unmittelbar vor mir
stieß. Ich nahm beide Hände zu Hilfe und stellte gleich darauf fest, daß ich in
einer Sackgasse gelandet war. Ein Held kann vieles ertragen, aber für einen
überzeugten Feigling wie mich war das Ganze einfach zuviel .
Irgendwo aus den Tiefen meines bebenden Magens stieg ein langgezogenes
animalisches Geheul auf, und ich begann in einer Art ohnmächtiger Verzweiflung
mit beiden Fäusten gegen die Wand zu hämmern. Ich hätte es besser wissen
müssen; im nächsten Augenblick schwang die ganze verdammte Wand nach innen, und
ich fiel geradewegs in den dahinter liegenden beleuchteten Raum.
    Während ich, restlos aus dem
Gleichgewicht gebracht, durch das Zimmer taumelte, hörte ich, wie die Drehwand hinter mir zuschlug, und dann prallte ich gegen
etwas Weiches und Nachgiebiges, das mich davor bewahrte, auf den Boden zu
stürzen. Was immer es war, das meinen Fall hemmte, es gab einen verblüfften
keuchenden Laut von sich und gab noch mehr nach — sehr viel mehr sogar — , bis
es der Länge nach auf das Bett fiel, ich darüber hinweg.
    Meine Augen brachten es fertig,
wieder klar zu sehen, und eine Sekunde lang glaubte ich in einen Spiegel zu
sehen, nur daß die Augen, die mich ihrerseits anstarrten, dunkel und wütend
waren, während meine blau und, wie ich vermutete, in dieser Sekunde starr vor
Schrecken sein mußten. Langsam nahm ich die Einzelheiten des Gesichtes, das so
nahe dem meinen war, in mich auf: das glänzende schwarze Haar, das vom Scheitel
aus wie zwei Fledermausflügel das ovale Gesicht umrahmte, die gerade
aristokratische Nase und der volle Mund, der sich zunehmend grimmiger verzog.
Ich war das jedenfalls nicht, und so wie sich das Ganze anfühlte, konnte es
sich bei dem, was da unter mir lag, auch um keinen Spiegel handeln.
    Mit höchster Anstrengung rollte
ich hinab und bis zum Rand des Bettes, stützte mich
dann auf einen Ellbogen und sah gründlicher hin. Den Kopf kannte ich bereits,
mit dem Rest verhielt
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