Der Vampyr
was du getan hast?«, fragte Frederic.
»Du warst bereit, dich an Abu Dun zu verkaufen, um mein Leben zu retten. Jetzt tue ich dasselbe für dich.«
»Das ist ein Unterschied«, sagte Andrej betont.
»Abu Dun war ein Pirat. Ein Mörder und Dieb. Aber Dracul ist …
böse. Er ist kein Mensch, Frederic.«
»Du meinst, so wie wir?«, fragte Frederic.
»Du glaubst, du wärst ihm gewachsen«, fuhr Andrej fort. Tief in sich spürte er, wie sinnlos es war. Frederic verstand ihn nicht, weil er ihn nicht verstehen wollte. Trotzdem fuhr er fort:
»Du bist es nicht. Auch ich wäre es nicht, Frederic. Wenn du bei ihm bleibst, dann wird er dich verderben. Es wird nicht lange dauern, und dann wirst du sein wie er.«.Und wenn er es schon war?
Andrej versuchte mit aller Kraft, sich dagegen zu wehren, aber plötzlich glaubte er Abu Duns Stimme zu hören, so deutlich, das er sich um ein Haar herumgedreht hätte, um nachzusehen, ob der Pirat nicht wirklich hinter ihm stand: Hast du schon einmal daran gedacht, das es vielleicht Menschen gibt, die schon böse geboren werden?
»Das werde ich nicht«, widersprach Frederic.
»Ich habe keine Angst vor diesem … alten Mann. Wenn er mir lästig wird, dann töte ich ihn.« In seinen Augen erschien ein verschlage-ner Ausdruck.
»Wir könnten es gemeinsam tun. Versteck dich ein paar Tage. Sobald ich Tepeschs Vertrauen errungen habe, lasse ich dir ein Zeichen zukommen. Ich lasse dich bei Dunkelheit in die Burg. Wir töten Tepesch und befreien alle Gefangenen.. Andrej sah ihn lange und voller Trauer an. Dann drehte er sich wortlos um, stieg auf das erstbeste Pferd, das er erreichen konnte, und ritt davon.
16
Er ritt direkt nach Osten. Auf dem ersten Stück bewegte er sich sehr rasch, denn er zweifelte nicht daran, das Tepesch nicht sonderlich viel Zeit verstreichen lassen würde, bevor er zur Jagd auf ihn blies. Das war auch der Grund, aus dem er sich in östliche Richtung wandte. Hier war das Gelände offen und es gab kaum Möglichkei-ten für einen Hinterhalt oder eine Falle. Allerdings näherte er sich auf diese Weise in direkter Linie dem Schlachtfeld. Obwohl seit dem Kampf Zeit verstrichen war, bestand durchaus noch die Gefahr, auf Männer des Drachenritters zu stoßen. Erst, als er sich dem Schlachtfeld weit genug genähert und der Wind den ersten Hauch von süßlichem Leichengestank zu ihm tragen konnte, wurde ihm klar, das er diese Richtung keineswegs zufällig eingeschlagen hatte.
Sein Tempo war gesunken. Andrej war nicht gutberaten gewesen, seinem Zorn nachzugeben und sich auf das erstbeste Pferd zu schwingen, das sich ihm dargeboten hatte. Das Tier war in keinem guten Zustand. Seine Kräfte erlahmten rasch. Einen langen Ritt oder gar eine Verfolgungsjagd würde es niemals aushalten. Er wür-de kämpfen müssen, wahrscheinlich früher, als er erwartete, und so hart wie noch niemals zuvor in seinem Leben. Biehlers Schicksal hatte ihm deutlich vor Augen geführt, das Tepesch nicht den Fehler beging, seine Art zu unterschätzen. Die Männer, die er hinter ihm herschicken würde, würden wissen, wie gefährlich er war. Und wie sie ihn töten konnten. Andrej hatte keine Angst. Er hatte in seinem Lebe, schon so viele Kämpfe ausgefochten, das er längst aufgehört hatte, sie zu zählen. So mancher davon war scheinbar aussichtslos gewesen. Und seit gestern Nacht war etwas … mit ihm geschehen.
Andrej konnte selbst nicht sagen, was es war, aber es war eine sehr große, tief greifende Veränderung, und sie schien noch lange nicht abgeschlossen zu sein. Als er Körbers Blut getrunken hatte, da war noch etwas in ihn eingedrungen gen; ein Teil der unmenschlichen Kraft und Schnelligkeit des Vampyrs, und vielleicht etwas von seiner Erfahrung. Körber war tot, unwiderruflich, aber etwas von ihm lebte in Andrej weiter. Er hatte einen weiteren Teil des Geheimnisses gelüftet, das seine Existenz umgab. Als er Malthus getötet hatte, seinen ersten Unsterblichen war es nicht so gewesen. Aber Malthus, das hatte er längst begriffen, war noch sehr jung gewesen, alt für menschliche Begriffe, aber jung und möglicherweise unerfahren fair einen Vampyr. Andrej erinnerte sich gut an das Gefühl flüchtiger Überraschung, kurz bevor sich sein Geist endgültig aufgelöst hatte, aber da war nichts von der abgrundtiefen Bosheit und Starke Körbers gewesen. Der zweite Vampyr hätte ihn überwältigt, nicht nur körperlich, sondern auch und vor allein und mit noch viel größerer Leichtigkeit geistig,
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