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Der Vampyr

Titel: Der Vampyr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Kletterer. Er war sicher, das es ihm gelingen würde, die Mauer unbemerkt zu ersteigen. Hinter den zer-fallenen Zinnen patrouillierten Wachen, die ihn nicht schrecken konnten. Andrej wußte, wie Männer auf einer Nachtwache dachten und handelten. Solange er kein verräterisches Geräusch machte, würde niemand stehen bleiben und sich über eine mehr als andert-halb Meter dicke Mauer beugen, um senkrecht in die Tiefe zu sehen. Es war zu unbequem. Der einzig wirklich gefährliche Moment war der, in dem er den Streifen deckungsloses Gelände zwischen dem Waldrand und der Burg überqueren mußte. Er wartete, bis der Posten auf der ihm zugewandten Seite am Ende seines Weges ange-langt war, eine kurze Pause einlegte und kehrtmachte, dann huschte er geduckt los und rannte zur Burgmauer. Seine dunkle Kleidung schützte ihn; er bewegte sich so gut wie lautlos. Kein Alarmruf gellte durch die Nacht, es wurden keine Fackeln geschwenkt; das große Tor blieb geschlossen. Andrej presste sich mit dem Rücken gegen den rauen Stein, lauschte in sich hinein und wartete, bis sich sein hämmernder Pulsschlag beruhigt hatte. Dann drehte er sich herum, tastete mit Finger- und Zehenspitzen nach Halt und begann zu klet-tern. Andrej war selbst ein wenig erstaunt, wie leicht es ihm fiel. Er war im Klettern geübt gewesen, aber nun erklomm er die Wand beinahe ohne Mühe. Seine Einschätzung war richtig gewesen: Der Mauerverputz existierte nur noch in zerbröckelnden Resten, sodass seine Finger und Zehen überall Halt fanden. So schnell, als hätte er sein Lebtag nichts anderes getan, kroch er die acht Meter hohe Wand hinauf und hielt dicht unterhalb der Zinnenkrone inne. Er konnte die Schritte des Wachtpostens über sich deutlich hören, ja, er konnte fast genau sagen, wo er sich befand und in welchem Tempo er sich näherte. Sogar den Atem des Mannes hörte er. Diese neu gewonnenen Fähigkeiten erstaunten ihn. Es war mehr von dem Vampyr in ihm, als er bisher gewusst hatte, und er fragte sich fast ängstlich -, was geschehen mochte, wenn er diese Kräfte wirklich entfesselte. Er würde es erleben. Als die Schritte des Mannes sich wieder entfernten, zog er sich in die Höhe und mit einer kraftvollen Bewegung über die Mauerkrone. So lautlos dies vonstatten gegangen war, er mußte doch ein verräterisches Geräusch gemacht haben, denn die Wache hielt mitten im Schritt inne und fuhr erschrocken herum. Andrej zögerte nicht. Mit einer blitzschnellen Bewegung war er bei ihm, presste ihm eine Hand über Mund und Nase und tastete mit der anderen nach der empfindlichen Stelle an seinem Hals. Seine Fingerspitzen fanden einen bestimmten Nerven-knoten und drückten zu. Der Mann erschlaffte in seinen Armen und brach zusammen wie eine Marionette, deren Fäden man durch-schnitten hatte. Andrej fing ihn instinktiv auf, ließ ihn fast sanft zu Boden sinken und tastete nach seinem Puls. Der Mann lebte, befand sich aber in tiefer Bewusstlosigkeit. Vollkommen verblüfft starrte Andrej abwechselnd den Bewusstlosen und seine eigenen Hände an. Er hatte nicht gewusst, was er tat, er hatte es einfach getan, so selbstverständlich, wie er einen Fuß vor den anderen setzte oder ein- und ausatmete. Er horchte in sich hinein. Wozu war er noch fähig? Obwohl Andrej sicher war, das der Mann eine ganze Weile lang bewußtlos bleiben würde, fesselte er ihn sorgfältig und verpasste ihm noch einen sicheren Knebel. Erst dann huschte er geduckt zum Ende des Wehrganges und warf einen langen, prüfenden Blick in den Burghof hinab. Er erkannte jetzt Einzelheiten und Details, die ihm bei seinem letzten Aufenthalt noch nicht aufgefallen wären. Hätte ihn der Gedanke nicht zu sehr erschreckt, wäre er zu dem Schluss gekommen, das er nachts besser sehen konnte als am Tage. Der Burghof unter ihm war fast leer. Der Stapel mit Beutegut war noch einmal gewachsen, und neben dem Tor lehnte ein einsamer Wächter an der Wand und kämpfte darum, nicht einzuschlafen. Zwei weitere Männer patrouillierten auf den Wehrgängen, waren aber viel zu weit entfernt, um ihn bei der herrschenden Dunkelheit zu erkennen. Sicher gab es auch Posten hinter den Turm-fenstern, doch auch sie stellten keine Gefahr dar. Aus dem Hauptgebäude drangen gedämpfte Stimmen, und zwei Fenster waren schwach erleuchtet, aber im Großen und Ganzen schien Waichs bereits zu schlafen. Ganz weit entfernt, selbst für seine überschar-fen Sinne kaum noch wahrnehmbar, glaubte er Schreie zu hören.
    Dann sah er etwas, das seine

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