Der Vater des Attentäters (German Edition)
bringen, tatsächlich jedoch fuhr ich zu einer Einlagerungsfirma und mietete einen ausreichend großen Schrank an. Ab jetzt würde ich zwei Leben führen. Nach außen hin war ich Paul Allen, der Mann, der sich dem Unausweichlichen ergeben hatte, aber in Wirklichkeit wollte ich meine Nachforschungen fortführen. Wenn es mir gelang, Dannys Unschuld zu beweisen, wenn ich es schaffte, sein Urteil umzuwandeln und sein Leben zu retten, so sagte ich mir, dann würde mir meine Familie vergeben. Selbst Daniel.
So spaltete ich mich in zwei Personen.
Auf Frans Drängen hatten wir das Haus in Connecticut zum Verkauf angeboten. Es war an der Zeit anzuerkennen, dass die kleine heile Welt, die wir uns dort aufgebaut hatten, mit Nachbarn, Freunden, Schulen, nicht mehr existierte. Wir waren zu Ausgestoßenen geworden. Die Menschen gingen uns aus dem Weg oder schnitten uns, ob auf Schulversammlungen oder im Supermarkt. Die Gemeinschaft, die uns einst so herzlich aufgenommen hatte, tat nun alles, um uns zu zeigen, dass wir nicht mehr erwünscht waren.
Ich hatte mich im Sommer beurlauben lassen, um mich auf Daniels Fall konzentrieren zu können. Als ich Alvin Heidecker, den Rektor, dann im Januar anrief, um ihm zu sagen, dass ich nicht mehr zurückkäme, schien er erleichtert. Alvin und ich waren seit Jahren befreundet, aber er war ein praktisch denkender Mann, und er wusste, dass meine Zugehörigkeit zum Lehrkörper der Abteilung schaden würde, vor allem finanziell. Die größten Geldgeber der Fakultät waren eingeschworene Demokraten, von denen nicht erwartet werden konnte, dass sie eine Institution mit Millionenbeträgen unterstützten, die den Vater des Mannes beschäftigte, der ihren Helden umgebracht hatte.
So begannen wir unsere Flucht zu planen. Wir überlegten, phantasierten, wohin wir gehen könnten – nach London, Paris, Rom. Ich hatte früher schon Angebote aus dem Ausland bekommen, und wir glaubten – ob nun zu Recht oder nicht –, dass Europa unsere einzige wirkliche Chance sei, unerkannt einen neuen Anfang zu wagen. Als es dann aber konkret wurde, begriffen wir, dass wir es nicht fertigbrachten, das Land zu verlassen, das unsere Heimat war, auch wenn es uns im Stich ließ. Fran war in Denver aufgewachsen, ihre Familie lebte noch immer dort. Ein Umzug nach Colorado lag nahe. Als diese Möglichkeit zum ersten Mal zur Sprache kam, nickte ich nur verhalten und versuchte meine Erregung zu verbergen, die mich gleich erfüllte. Dannys Gefängnis lag schließlich ebenfalls in Colorado. Aber ich sagte nichts und überließ es Fran, Dannys Nähe wie eine Möhre vor mich hin zu halten, um mich zu überzeugen, dass ein Umzug ins ländliche Colorado fraglos die beste Lösung für uns beide sei.
So verpackten wir denn unser Geschirr, füllten unsere Ostküstengarderobe in Pappschränke, packten Bücher und Sportausrüstung ein, nahmen die Bilder und unsere gerahmten Fotos (Kunst und Familie) von den Wänden und wickelten sie in Noppenfolie. Wir schlossen eine Versicherung ab, wir zählten unsere Kisten, und dann reisten Fran und ich Ende November nach Colorado und machten ein passendes Haus ausfindig, zweistöckig, im Craftsman-Stil, auf einer ruhigen Anhöhe und mit Blick auf die Rockies. Wir mussten nur noch einziehen.
Als wir dann auch die letzten Sachen einpackten, ging etwas Seltsames in mir vor. Ich sah unsere Vergangenheit in den Kisten verschwinden und wollte sie nicht mehr. Fran kam eines Abends ins Schlafzimmer und sah, wie ich meine Kleider in Müllsäcke stopfte.
«Was machst du denn da?», fragte sie.
«Ich will das nicht mehr», antwortete ich. «Nichts von dem Zeug. Weg mit den alten Sachen.»
Ich sagte ihr, wenn wir schon umzögen und unser Leben änderten, wolle auch ich mich ändern. Mich neu erfinden. Also steckte ich meine Connecticut-Arztkittel, meine Chinos und Leinenhemden, meine Bootsschuhe und John-Varvatos-T-Shirts in schwarze, dreifach verstärkte Müllsäcke, verstaute sie, als sie voll waren, im Auto und fuhr damit zu Goodwill. Sollte jemand anderes die Sachen tragen. Sollte jemand anderes als Dr. Allen verkleidet herumlaufen. Ich würde der Welt entwischen. In den Müllsäcken waren auch mein Aftershave und meine teuren Hautlotionen. Alles, was nach etwas roch. Alles, was mich ausgemacht hatte, mein ganzes altes Ich. Das Ich, das ich hinter mir lassen wollte.
Tags darauf ging ich zum nächstbesten Friseur, wies ihn an, er solle mir die Haare kurz schneiden, und sah zu, wie mir der Mann mit
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