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Der Vater des Attentäters (German Edition)

Der Vater des Attentäters (German Edition)

Titel: Der Vater des Attentäters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Hawley
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einäugigen Cowboy. Dabei rauchte er gar nicht.
    Er legte die Hände um sein Bierglas und dachte an die Dinge, die er in den drei Wochen, die er hier war, gelernt hatte. Er konnte sechs verschiedene Mähdreschermarken nennen, wusste, was man unter «den Boden bestellen» verstand und was eine Egge war. Er kannte den Unterschied zwischen einem Steinsammler und einer Ackerschleppe, zwischen einem Hufkratzer und einem Hufmesser – und wusste auch zu sagen, wann man welches von beiden brauchte. Wenn ein Pferd nervös war, empfahl er Quietex-Paste oder -Pulver zur Beruhigung. Das war etwas Handfestes, die Wirklichkeit. Im College ging es nur um Ideen und Kurzlebiges. Hier gab es Dinge, an denen er sich festhalten konnte. Hier bot einem der Boden Halt unter den Füßen.
    Jorge kam zu ihm und boxte ihm gegen die Schulter. Er hatte einen blauen Fleck auf der Wange, wo ihn der Ellbogen eines Rugbyspielers getroffen hatte. Ganz in der Nähe sei ein puticlub , erklärte er Danny. Für fünfundzwanzig Dollar könne er da seine verga in den culo einer Frau stecken. Danny sagte, er habe nur noch achtzehn. Jorge zuckte mit den Schultern. Er und die anderen stolperten zum Auto, lachten und ließen Danny mit der Zeche sitzen.
    Danny machte sich zu Fuß auf den Heimweg. Er spürte das Gewicht der Sterne über sich. Es war, als regnete ihr Licht auf ihn herab. Er stolperte am Straßenrand entlang, die vorbeibrausenden Laster vibrierten in seinem Körper, und das unablässige schrille Singen der Zikaden drang ihm bis in die Zahnwurzeln. Aus einem Pick-up heraus warf ihm irgendein Typ eine Bierdose an den Kopf. Danny verließ die Straße und bahnte sich einen Weg durch die Maisfelder. Der Mond war dort nur verdeckt zu sehen, aber er folgte seinem verschwommenen Leuchten durch die klaustrophobische Enge der Stengel und Blätter. Seiner Einschätzung nach hatte er zwei, vielleicht drei Kilometer zu gehen bis zum Haus der Kirklands.
    Wie viel größer als noch vor ein paar Wochen sich die Welt in dieser Nacht anfühlte. So weit, so offen, als könnte er überall hin, alles tun.
    Etwas flog gegen sein Gesicht. Etwas Großes mit Beinen. Er schlug es weg, fluchte, spürte nun auch etwas am Bauch. Er fuhr herum und wedelte mit den Armen. Er hatte immer schon Angst vor Insekten gehabt, und jetzt waren sie überall, prallten gegen ihn, verfingen sich in seinen Kleidern und seinem Haar. Er öffnete den Mund, um zu schreien, und hatte plötzlich etwas Hartes, Krabbeliges auf der Zunge. Panik erfüllte ihn. Er fiel auf die Knie, übergab sich und bedeckte den Kopf mit den Armen. Riesige Insekten prasselten auf ihn ein, in blinder Aggression, groß wie Fäuste. Es war, als würde er dort in der Finsternis bei lebendigem Leib aufgefressen, als würden seine Überreste im Maisfeld verschwinden. Wie ein Mann mit brennenden Kleidern wälzte er sich auf dem Boden und versuchte die Flammen zu löschen, die es gar nicht gab. Endlich, nach Stunden, wie es ihm vorkam, ließ der Ansturm nach. Keuchend lag er auf der Erde, um ihn herum rauschten die Maisblätter im Wind. Danny stand auf und hatte jede Orientierung verloren. Er wusste nicht mehr zu sagen, wo die Straße lag. Er fuhr sich durchs Haar und über die Kleider und versuchte auch noch das letzte Überbleibsel der pflaumengroßen Heuschrecken zu entfernen, die ihn angegriffen hatten. Ihm war schwindelig von dem Tequila. Sein Kiefer schmerzte, wo ihn der Angeber aus dem Pub getroffen hatte. Es war Samstag, und in ein paar Stunden würde die Sonne aufgehen.
    Und zum ersten Mal, seit er sich erinnern konnte, war er wirklich glücklich.
    Er legt sich zwischen die Maisstengel und schlief ein.

 
     
    Carlos Peña wohnte in einem Apartmentkomplex östlich von der Highland Avenue. Neben dem Haupteingang lehnte eine verdreckte Matratze an einer Palme, und auf der gegenüberliegenden Seite der Straße bellten Pitbulls hinter einem Maschendrahtzaun. Murray parkte seinen gemieteten SUV . Da saßen wir in unseren ordentlichen Anzügen und blickten einen Moment zu dem heruntergekommenen Gebäude hinüber.
    «In solchen Momenten», sagte Murray, «erkennt man, es gibt solche und solche.»
    Wir stiegen die Eingangsstufen hinauf und studierten die Namensschilder. Peña, C ., Apartment 3 F . Murray klingelte, wir warteten, der Türöffner summte. Murray drückte die Tür auf. In dem betonierten Innenhof gab es einen nierenförmigen Swimmingpool, in dem ein Liegestuhl trieb.
    «Die Sache mit Los Angeles ist», sagte

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