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Der Vater des Attentäters (German Edition)

Der Vater des Attentäters (German Edition)

Titel: Der Vater des Attentäters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Hawley
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was ich sagen will?», fragte er.
    «Nein», sagte ich, obwohl seine Worte in meinem Kopf nachhallten.
    «Sie müssen sich der Wahrheit stellen», sagte er. «Solange Sie das nicht tun, werden Sie nicht wieder glücklich.»
    «Und was für eine Wahrheit soll das sein?», fragte ich mit brüchiger Stimme.
    «Dass Ihr Sohn für Sie verloren ist. Dass Sie ihn nicht kennen . Dass er den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen wird. Was vielleicht gar nicht so lange ist.»
    «Sind Sie es, der mit meinem Sohn in Royce Hall gerungen hat?», fragte ich mich fester Stimme. «Hat er Ihnen etwas abgenommen?»
    Er lächelte. «Gerungen?» , sagte er. «Ich soll mit ihm gerungen haben?»
    Wir sahen einander an, ohne einen Wimpernschlag. Sein Lächeln wurde breiter, aber es hatte nichts Glückliches, nichts Lebendiges.
    «Erzählen Sie uns doch mal von den Mails, die Sie so gerne schreiben», sagte Murray,
    «Welchen Mails?», fragte Carlos, ohne den Blick von mir zu wenden.
    «An Kongressabgeordnete, Senatoren …»
    «Ich hab halt meine Meinungen», sagte Carlos. «Gedanken. Ich gebe ihnen Ausdruck. Es ist nicht gesund, so was in sich reinzufressen.»
    «Diese Gedanken», sagte Murray, «die haben manchmal auch einen drohenden Charakter, richtig?»
    «Wie bitte?», sagte Carlos. « Einen drohenden Charakter? Was soll das bedeuten?»
    «Warum waren Sie in Royce Hall?», fragte Murray.
    Carlos sah ihn an. «Sie werden hier nicht fündig», sagte er.
    «Wir haben ein Foto, auf dem Sie ein weißes Button-Down-Hemd tragen», sagte ich. «Sie standen keine drei Meter von der Bühne entfernt.»
    Carlos erhob sich. «Ich habe Ihnen die Schachtel gezeigt», sagte er. «Als Nächstes zeige ich Ihnen die Pistole.»
    Murray stand auf. Er machte eine Geste in meine Richtung, und ich stand ebenfalls auf. Würden wir es wohl gemeinsam mit dem Burschen aufnehmen können? Zwei gegen einen? Ein jüdischer Anwalt und ein Rheumatologe, der noch niemals jemanden geschlagen hatte?
    «Haben Sie viele Waffen, Carlos?», fragte Murray.
    «Nicht die Waffen sind das Gefährliche», sagte Carlos. «Sondern die Kugeln.»
    Ich warf einen Blick auf das Steakmesser. Warum war es so klebrig? War da etwa Blut am Griff?
    «Gehen wir lieber», sagte ich zu Murray.
    Murray holte eine Visitenkarte heraus. «Falls Sie Ihre Meinung ändern und reden wollen», sagte er, «rufen Sie mich an.»
    Carlos nahm die Karte und studierte sie. «Ich lege sie auf meinen Spezialstapel», sagte er.
    Murray nahm ihm die Karte wieder weg. «Wenn ich es mir recht überlege, rufe ich Sie lieber an», sagte er.
    Wir gingen die Treppe hinunter und am Pool vorbei. Murray hielt den Schlüssel für den Wagen bereits in der Hand. Wir stiegen ein, verriegelten die Türen und saßen einen Moment lang da, ohne etwas zu sagen. Der Regen hatte wieder eingesetzt und lief in schmutzigen Schlieren die Windschutzscheibe hinunter.
    «Na», sagte Murray, «das war ’ne Nummer.»
    «Was sollen wir …»
    «Ihn im Auge behalten. Ich kenne einen Privatdetektiv, der soll sich ihm an die Fersen heften, um zu sehen, wohin er geht.»
    «Er war es», sagte ich. «Meinen Sie nicht auch?»
    Murray dachte nach. «Fähig dazu ist er sicher», sagte er. «Aber auf ein Sofa einzustechen, ist nicht das Gleiche, wie einen Präsidentschaftskandidaten zu erschießen. Die Welt ist voller verrückter Dreckskerle, Paul. Machen Sie sich keine zu großen Hoffnungen.»
    Warum sagten das alle ständig? Als ob überhaupt noch eine Hoffnung in mir gewesen wäre. Ich lebte in einer Welt der Worst-Case-Szenarien. Entweder war mein Sohn ein Mörder, oder er war unschuldig und sagte nichts dazu, aus Gründen, die ich auch nicht im Ansatz verstehen konnte.
    «Es geht nicht um Hoffnung», sagte ich. «Es geht um Tatsachen. Es geht darum, herauszufinden, was an dem Tag wirklich passiert ist und warum Danny nicht darüber reden will.»
    Murray blickte mich eine Minute lang skeptisch an. Ich sah, wie er eine Antwort formulierte, es sich dann aber anders überlegte. Er klopfte mit den Fingern aufs Steuer. «Glauben Sie, das war ernsthaft die Asche seines Bruders in der Schachtel?», fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf. Alles, was ich wusste, war, wenn wir nicht bald Beweise für Dannys Unschuld fanden, würde ich am Ende auch eine Schachtel in der Hand halten.

 
     
    Timothy McVeighs letzte Mahlzeit bestand aus einem Liter Pfefferminzeis mit Schokostückchen und Schokoladenstreusel. «Jimmies» nannten einige die Streusel. McVeigh

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