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Der Vater des Attentäters (German Edition)

Der Vater des Attentäters (German Edition)

Titel: Der Vater des Attentäters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Hawley
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könne.
    «Danny», sagte sie, «wie kommt’s, dass du da bist?»
    «Ich habe das College geschmissen», sagte er. «Ich brauche mal einen Tapetenwechsel, einen anderen Rhythmus. Ich dachte, ein paar Monate Arbeit auf dem Land könnten mir guttun.»
    «Meine Eltern sind keine Landwirte», sagte sie, «sie verkaufen Pferdefutter und Farmbedarf.»
    «Kein Problem», sagte er, «das klingt auch gut.»
    Manchmal, wenn sie sich geliebt hatten, war Danny mittendrin aufgestanden und hatte sich etwas anderem zugewandt, hatte ferngesehen oder sich ein Sandwich gemacht. Cora kam er mittlerweile fast wie ein kleiner Bruder vor.
    «Meine Eltern sind ziemlich spießig», sagte sie zu ihm. «Sie gehen um acht ins Bett.»
    «Das klingt gut», sagte er. «Im Übrigen gefällt es mir hier. Die Luft ist so frisch.»
    «Es stinkt nach Kuhscheiße.»
    «Muss frische Luft nicht so riechen?»
    Er zog in die Wohnung über der Garage. Es gab keine Küche, aber er hatte eine Kochplatte, außerdem einen alten Viehtrog, in dem er baden konnte. Am ersten Abend lag er auf dem Doppelbett und betrachtete die Schatten der Bäume, die über die holzvertäfelte Decke zuckten. Er lauschte dem Wind und fühlte sich ein paar Stunden lang wie ein anderer Mensch.
    Tagsüber belud und entlud er Lastwagen. Er trug einen Stützgürtel mit Klettverschluss und strapazierfähige Arbeitshandschuhe aus grobem Segeltuch. Er füllte die Regale auf und lernte, wie alles hieß und wozu es diente: Klauenfettöl war ein natürliches Pflege- und Schutzmittel, mit dem sich Lederprodukte weicher machen ließen, Arbeitsstiefel gab es von Muskmaster, Red Hot Spray war eine spezielle Mischung aus Seife, scharfen Gewürzen und Geschmacksstoffen, die Tiere davon abhielt, an Verbänden, Wickeln oder Stützschienen zu kauen.
    Mittags aß er zusammen mit den anderen Jungs, hauptsächlich Mexikanern, geschmacklose Fast-Food-Hamburger auf der Verladerampe. Er arbeitete an seinem Spanisch und lernte vor allem Schimpfworte. Chingar hieß «ficken». Hoto war ein Ausdruck für Schwule, pendejo bedeutete «Idiot». Er ließ seine Pommes frites gern kalt werden, bevor er sie aß, was die Mexikaner für verrückt hielten. Sie nannten ihn cabrón . Dass das «Arschloch» hieß, erfuhr er erst später.
    Abends aß er bei den Kirklands, Bonnie bestand darauf. Sie war eine kleine, braunhaarige Frau mit einer Waffensammlung. Als sie ein Kind war, hatte ihr Vater ihr das Jagen beigebracht, und sie liebte das Gefühl von geöltem Stahl in der Hand. Sie hatte lange mit Cora über Danny geredet, weil sie wissen wollte, ob er vertrauenswürdig sei. Cora sagte: «Aber klar doch. Er ist nur ein wenig durch den Wind. Verloren.» Damit konnte Bonnie umgehen. Schließlich war sie eine Mutter, und sich verloren fühlende Jungs senden auf Frequenzen, die nur Mütter empfangen können. Sie nahm Danny unter ihre Fittiche und sorgte dafür, dass er genug aß und sich richtig wusch. Sein körperliches und geistiges Wohl lag ihr am Herzen.
    Sie aßen das Fleisch von Kirklands selbst gemästeten Schweinen, den Mais vom Feld des Nachbarn. So frische Dinge hatte Danny sonst nie bekommen. In jedem Gemüse schmeckte er die Erde, das eichelhaltige Aroma das Bodens. Wenn er Sommerkürbis aß, glaubte er, jeden einzelnen Regentropfen zu spüren, der darauf gefallen war.
    Bonnie und Ted fragten ihn nach seiner Familie, aber seine Antworten blieben vage. Seine Eltern seien geschieden, sein Vater wohne in Connecticut, die Mutter in Los Angeles. Er selbst sei neunzehn Jahre alt, er wolle reisen und die Welt sehen.
    «Nun ja», sagte Ted. «Ich will nicht behaupten, dass Iowa die Welt ist, aber uns gefällt es hier.»
    Sie schenkten ihm ein altes Fahrrad, das in der Scheune vor sich hin rostete. Daniel putzte es, kaufte einen neuen Sattel und neue Reifen und fuhr jeden Morgen vor der Arbeit eine Stunde damit herum. Er raste über Feldwege und sah der Sonne beim Aufgehen zu. Er lebte sich in die Landschaft ein und begann sie zu begreifen. An den Wochenenden saß er oft den ganzen Tag auf dem Rad, suchte sich eine Richtung aus, in die er bis mittags fuhr, dann drehte er um und kam zurück. Die zehn Pfund, die er im College durch zuckrige Frühstücksflocken und Bier angesetzt hatte, schmolzen dahin. Seine Muskeln in Schenkeln und Waden begannen den Jeansstoff zu spannen, und die Zehn-Stunden-Tage mit dem Schleppen von Futtersäcken formten Rücken und Arme.
    Eines Abends ging er mit den Mexikanern ein Bier trinken. Sie

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