Der Vater des Attentäters (German Edition)
Gras, er war wie elektrisiert. Sein Körper, sein Geist. Er lachte.
In Iowa wurden Mais und Sojabohnen angebaut, Hafer und Erdbeeren. Es war die Heimat der Honigbienen und Weihnachtsbäume. Vier Millionen Kühe grasten auf den Weiden, Guernseys, Holsteiner und Ayrshires, Simmentaler und Herefords. Es gab mehr als vierundzwanzig Millionen Schweine, Berkshires, Chester Whites, Hampshires und Landraces. Die Blue-Ribbon-Mastschweine wurden groß wie ein Buick. Und dann gab es diese wütenden, schrecklichen Dinosaurier-Unwetter, die einen umbringen konnten. So war das eben. Er befand sich im großen amerikanischen Farmgürtel.
Daniel suchte eine ganze Weile erfolglos nach seinem Fahrrad und ging dann zu Fuß nach Hause.
An diesem Abend stand er fast eine Stunde lang vor Bonnies Waffenschrank. Ihr Vater war ein Sammler gewesen, und als er starb, führte sie seine Sammlung weiter. Eine ganze Wand in ihrem Haus hing voller Gewehre, mit langen, schmalen Läufen. Daniel sah ein Winchester 30-30, ein Lee-Enfield M10 mit einem Geradezugverschluss und einen Bushmaster- M4 -Karabiner. Vorderschaftrepetierer und Unterhebelrepetierer. Cowboygewehre ruhten auf Mahagonistützen. Daneben gab es Tischvitrinen voller Handfeuerwaffen, einen Browning 9mm, eine Luger 08 Parabellum, eine kleine Smith & Wesson 45 ACP und jedermanns Lieblingswaffe, einen 357-Magnum-Revolver, schwer und robust.
Daniel betrachtete die Pistolen unter dem Glas. Bonnie hatte ihn seit seiner Ankunft in Iowa zweimal mit zum Schießen genommen. Einmal hatten sie auf große Distanz geschossen, mit einer 22-Langwaffe, die fast keinen Rückstoß hatte. Er lag auf dem Bauch im Gras und sah zu, wie Bonnie die Büchsen in die Höhe springen ließ. Als er an der Reihe war, hörte er das flache Knallen der Schüsse, doch die Büchsen blieben stehen. Er strich über den Abzug, während Bonnie ihm ein paar Tipps gab. «Aus dieser Entfernung musst du den Wind mit einberechnen», sagte sie. «Fokussiere ein wenig rechts vom Ziel, und wenn du bereit zum Schießen bist, hör kurz auf zu atmen.»
Als die erste Dose hochflog, erfasste ihn eine Woge des Glücks. Er wollte Bonnie darauf unbedingt ins Steakhaus einladen.
Beim zweiten Mal hatte sie ihn mit auf einen Schießstand genommen. Sie nahmen vier Handfeuerwaffen in einer verschlossenen Kiste mit, und zunächst erklärte Bonnie ihm in einem Hinterzimmer, worauf er zu achten hatte. Sie zeigte ihm, wie man eine Halbautomatikwaffe entlud, indem man den Ladestreifen herausnahm und die Patrone aus der Kammer holte. Er musste es mehrfach wiederholen, bis die Bewegungen natürlich und anmutig waren. Sie zeigte ihm, wie man die Revolver lud und sich mit leicht gespreizten Beinen aufstellte, wobei die linke Hand die rechte unterstützte. Er trug eine Brille und dicke Ohrenschützer, wie die Vorfeldeinweiser auf einem Flughafen, die die Maschinen mit ihren Stäben in die richtige Position leiten.
Als er den 357er abfeuerte, schlug ihm der Rückstoß fast die Hand über den Kopf. Bonnie grinste und sagte, er solle die Arme ruhig halten wie ein Mann. Er schoss jede Pistole leer, traf jedes Mal das Ziel. Bonnie meinte, er sei ein Naturtalent. Er holte die leeren Patronen aus der Trommel und lud nach. Verglichen mit dem Magnum-Revolver fühlte sich die Glock wie eine Erbsenpistole an. Sie war leicht und hatte ein vielschüssiges Maxi-Magazin. Die Löcher, die sie in die Scheibe stanzte, waren glatt und symmetrisch. Er hatte gedacht, es würde ihn entweder erschrecken oder erregen, auf so kurze Distanz zu schießen, aber es war weder das eine noch das andere. Später sagte er zu Bonnie, dass er Gewehre bevorzuge und lieber draußen im Freien schieße. Aber alles in allem fahre er überhaupt lieber Fahrrad.
Er verließ Iowa am 3. August. An seinem letzten Abend aß er noch einmal mit Ted und Bonnie. Es gab Schweinekoteletts mit Äpfeln und zum Nachtisch einen Blaubeer-Cobbler. Er aß so viel, dass er sich anschließend auf den Boden legen musste. Wer wusste schon, was er als Nächstes zu essen bekommen würde? Mit den vier Monaten Arbeit im Laden der Kirklands hatte er knapp über zehntausend Dollar verdient, die er in einer Schuhschachtel aufbewahrte, wie ein unter Verfolgungswahn leidender Einsiedler.
Bonnie sagte, sie mache sich Sorgen um ihn. Warum er denn nicht noch den Herbst über bleibe? Ted nahm Danny beiseite und meinte, er verstehe das Bedürfnis eines Mannes umherzuziehen. Danny sei jung, da habe er noch einiges zu erleben.
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