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Der Vater des Attentäters (German Edition)

Der Vater des Attentäters (German Edition)

Titel: Der Vater des Attentäters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Hawley
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muss mich beeinflusst haben, aber … ich kann nicht genau sagen, wie.» Auf die Frage, ob der Vorfall seine emotionale Beziehung zu seinen Eltern verändert habe, sagte er: «Ja. Es hat sie in meinen Augen kleiner gemacht.» Auf die Bitte, das etwas auszuführen, antwortete der Proband: «Ich hatte nicht mehr das Gefühl, dass ich auf sie hören müsste. Es war fast so, als wären sie nicht mehr meine Eltern gewesen.» Auf die Frage, warum, stellte der Proband fest: «Eltern sollten einen vor solchen Dingen schützen, oder? Meine schienen nicht so an mir interessiert.»
     
    Highschool
    Mit fünfzehn Jahren wollte der Proband zu seinem Vater ziehen. Auf die Frage, warum, erklärte er: «Ich wollte einfach eine Veränderung. Meine Mutter klammerte sich zu sehr an mich, wissen Sie? Sie hatte lauter schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht und war oft traurig. Ich glaube, sie wollte, dass ich die Lücke ausfüllte.» Der Proband berichtete, dass sein Vater einige Jahre zuvor neu geheiratet und seitdem zwei junge Söhne hatte. «Das war wie eine richtige Familie», sagte er mir, «und ich denke, ich wollte das einfach mal erleben.»
    Nach dem Umzug schnitt der Proband auch weiter in der Schule gut ab. Die Beurteilungen seiner Lehrer heben besonders seine Aufmerksamkeit und seine Kreativität hervor und erwähnen, er sei fast immer gut vorbereitet. Der Proband berichtet, der Umzug habe für ihn nicht ganz die erhofften Folgen gehabt. Er habe nicht das Gefühl gehabt, Teil der neuen Familie seines Vaters, sondern ein Außenseiter zu sein. Ein Eindringling. Auf die Frage, wie sich das für ihn genau angefühlt habe, sagte der Proband: «Zu sehr gestört hat es mich nicht. Ich war nicht so überrascht. Ich meine, mein Dad hatte ja schon vorher keine bedeutende Rolle in meinem Leben gespielt. Und jetzt, ich weiß nicht, da kam ich mir halt vor wie so ein Austauschschüler, wissen Sie? Wenn Sie nach Frankreich gehen oder so, und die stecken Sie in eine französische Familie. So hat es sich angefühlt.»
    Der Proband bewarb sich an mehreren Colleges und bekam verschiedene Zusagen. Er entschied sich für Vassar in New York State, blieb dort aber nur für anderthalb Semester. «Es kam mir einfach nicht so wichtig vor», sagte er. Auf die Frage, ob er dort Freunde gefunden habe, antwortete er, ja, ein paar, «aber niemanden, mit dem ich mich enger verbunden gefühlt hätte». Auf die Frage, ob er dafür eine Erklärung finde, sagte der Proband: «Ich rede nicht wirklich gerne von mir, auch wenn das wahrscheinlich ein großer Teil von dem ist, was eine Freundschaft ausmacht. Aber ich erzähle nun mal nicht so gern, wie ich in Bezug auf etwas fühle oder denke. Die Leute quatschen oft nur so daher, um sich selbst reden zu hören.» Auf die Frage, ob er seine Meinungen vielleicht für weniger wertvoll erachte als die anderer Leute, sagte der Proband: «Nein. Ich denke nur, dass man mehr durchs Zuhören lernt als durchs Reden.»
    Der Proband erklärte ferner, dass er das College verlassen habe, weil er das Gefühl gehabt habe, «da draußen auf der Straße» könne er mehr lernen. «Ich meine da, wo sich das eigentliche Leben abspielt.»
     
    Die Zeit unterwegs
    Daniel Allen verbrachte die nächsten fünfzehn Monate auf Reisen. Nach eigener Aussage war er «überall, im Mittleren Westen, Texas, Portland.» Die Ermittlungen der Bundesbehörden haben ergeben, dass er sich während der besagten fünfzehn Monate an folgenden Orten aufhielt: Chicago, Iowa City, Austin, Helena, Portland, San Francisco und Sacramento. Dann fuhr er nach Los Angeles, wo das Attentat stattfand. Der Proband gab an, an keinem der Orte länger als vier Monate geblieben zu sein. Auf Nachfrage sagte er, das sei kein Prinzip gewesen, aber «ich wurde einfach zu hibbelig, wenn ich länger blieb».
    Im Verlauf unseres Gesprächs redete der Proband mit zunehmendem Unwillen über seine Zeit unterwegs. Er sagte: «Ich rede nicht gerne über diese Dinge. Ich war einfach, wo ich war, habe dort eben gelebt. Was soll daran interessant sein?» Nachdem er noch sehr angeregt von seiner Zeit in Iowa bei Ted und Bonnie Kirkland berichtet hatte, wollte er partout nichts über die drei Monate erzählen, die er im darauffolgenden Winter in Montana verbrachte.
    Als ich ihn mit Seiten aus seinem Tagebuch konfrontierte, auf denen er seine Gedanken und Gefühle während seiner Reise notiert hatte, sagte der Proband, er wolle nichts mehr weiter sagen. So endete unser erstes Gespräch.

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