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Der Vater des Attentäters (German Edition)

Der Vater des Attentäters (German Edition)

Titel: Der Vater des Attentäters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Hawley
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nahm eine Ampel bei Gelb und bog zu schnell nach links ab. Der Wagen drohte hinten auszubrechen, aber Murray fing ihn auf wie ein Profi.
    «Ist sie sauer?», fragte er.
    «Nein, nicht sauer. Sie … macht sich nur Sorgen. Sie denkt, ich sollte da sein und ihm die Hand halten, statt in der Gegend herumzufahren.»
    Murray überholte einen City-Bus, unser SUV scherte kurz in den entgegenkommenden Verkehr. Scheinwerfer flammten auf, Murray summte leise und korrigierte unseren Kurs.
    «Ich will Sie ja nicht nerven», sagte er, «aber das ist nun mal Frans Job. Oder auch Ellens. Die beiden sind Mütter. Sie und ich, wir sind Männer. Wir müssen handeln, das ist unser Ding. Ihr Job ist die Aufzucht, Erziehung oder was immer, und wir … wir beschützen unsere Familien. Wir versorgen sie, wir kämpfen, und wenn Ihnen jemand was anderes erzählt, dann vergessen Sie’s gleich wieder.» Er stemmte sich mit aller Macht auf die Hupe und verscheuchte ein halbes Dutzend Fußgänger von einem Zebrastreifen.
    «Ich fange langsam an zu verstehen, warum Sie schon dreimal geschieden sind», sagte ich.
    Er lächelte. Ich sah auf die Uhr am Armaturenbrett: 15.55.
    «Wir schaffen es nicht rechtzeitig», sagte ich.
    «Doch, das tun wir», sagte Murray. «Aber vielleicht machen Sie lieber die Augen zu. Es wird jetzt etwas heftig.»
     
    Um 16.07 Uhr kam Murray mit quietschenden Reifen vor dem Gerichtsgebäude zum Stehen. Im Radkasten rechts vorne war eine faustgroße Delle, die in Eagle Rock noch nicht darin gewesen war, und im Innern des Wagens roch es nach verbrannten Bremsbelägen – aber wir waren da. Alles war voller Autos und Menschen. Die Polizei hatte Sperren errichtet, und die Leute drängten sich links und rechts von den Eingangsstufen. Fernseh-Übertragungswagen standen auf der Seite, Satellitenschüsseln waren ausgerichtet, Kameras aufgestellt. Die Bilder gingen live in die Häuser von Zigmillionen Amerikanern.
    «Ich parke den Wagen, wir sehen uns drinnen», rief Murray mir hinterher. Ich knallte die Tür zu.
    Es kostete mich sechs Minuten, ins Gebäude zu kommen. Ich musste mich ausweisen, anstellen und verlor noch mal neun Minuten an der Metalldetektorschleuse, wo ich die Taschen ausleeren, das Jackett und dann auch noch die Schuhe ausziehen musste. Immerhin war ich vernünftig genug gewesen – in letzter Minute war es mir eingefallen –, die Kugel aus Cobbs Wohnung im Wagen zu lassen.
    Immer wieder versuchte ich Fran zu erreichen, aber sie antwortete nicht. Offenbar war sie bereits im Gerichtssaal, und die Sitzung hatte schon begonnen.
    Eine Uhr an der Wand zeigte 16.30 Uhr, als ich den Gang hinunterhaspelte und mir meine Schuhe und mein Jackett wieder anzuziehen versuchte, ohne noch weitere Zeit zu verlieren. Zum ersten Mal seit Wochen hatte ich das Gefühl, dass wir eine Chance hatten, dass sich all das Herumwühlen, das Streiten und meine starrköpfige Weigerung, die Hoffnung zu verlieren, am Ende auszahlen würden.
    Mein Handy klingelte. Im Display stand Murrays Name.
    «Ich kann jetzt nicht reden», sagte ich. «Ich versuche, in den Saal zu kommen.»
    «Wir haben Cobb gefunden», erklärte er mir.
    «Was?»
    «Es waren die Finger. Erinnern Sie sich, dass ich erzählt hatte, er habe in Afghanistan drei Finger verloren? Nun, ich habe meinen Mann Krankenhäuser und Leichenhallen abklappern lassen. Gerade hat er angerufen. Cobbs Leiche liegt in Riverside.»
    «Seine Leiche?»
    «Seit drei Tagen liegt er dort. Offenbar erstochen.»
    Ich blieb stehen. «Er ist tot?»
    Ich konnte Murray am anderen Ende hupen hören.
    «Mein Mann besorgt noch den Autopsiebericht», sagte er, «aber im Moment sieht es so aus, als wäre Cobb irgendwann Montagnacht ins falsche Ende eines Messer gelaufen, und das gleich sechzehnmal.»
    Als mir so richtig bewusst wurde, was Murray da sagte, schien die Zeit stehenzubleiben. Ich spürte, wie ich in eine Art Schockzustand geriet. Wie ein Tier, dass sich im Augenblick der Panik tot stellt.
    «Murray …»
    «Augenblick», sagte er, «ich habe einen Parkplatz gefunden. Ich bin in fünf Minuten bei Ihnen.»
    Er legte auf. Ich behielt das stumme Handy am Ohr. Cobb war tot. Was bedeutete das? War das ein Beweis für etwas oder nur ein weiteres Detail?
    Vor mir sah ich die Türen zum Gerichtssaal auffliegen. Männer und Frauen drängten heraus, gingen schnell, einige riefen etwas in ihre Handys. Ich sah Fran auftauchen, sie schob sich durch die Menge, sah sich um, sah mich.
    «Paul», sagte sie.
    «Wir

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