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Der Vater des Attentäters (German Edition)

Der Vater des Attentäters (German Edition)

Titel: Der Vater des Attentäters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Hawley
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Wahrheit ist, ich habe keine Ahnung, warum ich es getan habe. Es kam mir zu der Zeit nur einfach richtig vor.»
     
     
    1 Gleichwohl ist es interessant, auf den Bezug zum ehemaligen Präsidenten Jimmy Carter hinzuweisen (den John Hinckley bekanntermaßen verfolgt hat, bevor er versuchte, Ronald Reagan zu erschießen). Des Weiteren könnte der Nachname «Cash» als Anspielung auf den Country-Sänger Johnny Cash verstanden werden, der während seiner Gesangskarriere als «Man in Black» bekannt war und von vielen als Rebell und Außenseiter betrachtet wurde. Möglich ist aber auch, dass der Name «Cash» auf Geld verweist und so in Kombination mit dem Namen eines amerikanischen Präsidenten als zynische Kritik am amerikanischen politischen System gesehen werden kann.

 
     
    Daniel ging drei Wochen lang jeden Tag in die Bibliothek, wanderte zwischen den Bücherregalen umher und stellte sich hinter stinkenden Obdachlosen an den Computern an. Ihm gefiel es, wie sich die Bücherrücken anfühlten, wenn er mit der Hand über die Regale fuhr, und er genoss es, einen freien Stuhl in einer versteckten Ecke zu finden, wo er sich wie ein kleines Tier in der friedlichen Wärme seines Baus fühlte. Er war ein neunzehn Jahre alter junger Mann an der Schwelle zwischen Jugend und Erwachsensein, der das College geschmissen hatte. Ein junger Kerl, der seine Ausbildung auf die Straße verlegt hatte. Hier, im Hügelland von Texas, stellte er seinen eigenen Bildungsplan auf und konzentrierte sich dabei auf die Erforschung einiger junger Männer und ihrer Waffen. Whitman, Oswald, Hinckley. Vormittags arbeitete er für Senator Seagram, verteilte Flugblätter auf der Guadalupe Street oder registrierte Wähler auf dem Martin Luther King Jr. Boulevard, dann brach er zur Bibliothek auf und kam unterwegs an den Kettenläden am Rand des Campus vorbei. Das Mädchen war mit einer der Gründe, warum es ihn in die Bibliothek zog. Natalie, die Bibliotheksaushilfe. Sie hatte Sommersprossen auf der Nase und einen Schmollmund. Am 14. September fasste er endlich genug Mut, um sie anzusprechen: Er ging zur Hauptinformation und fragte sie, wo die Toilette sei. Er wusste es natürlich, aber als er dort vor ihr stand, ihr langes braunes Haar sah und die leicht schrägstehenden Augen, wollte ihm nichts anderes einfallen. Sie trug an diesem Tag das blaue Kleid, das ihre Augen zum Leuchten brachte. Natalie lächelte und deutete mit der Hand in eine Richtung. Daniel murmelte ein Dankeschön und folgte ihrem Finger, obwohl er gar nicht zur Toilette musste. Vor dem Waschbecken spritzte er sich Wasser ins Gesicht. Mit jedem Tag, den er im Westen verbrachte, schien er sich weiter von seinem alten Selbst zu entfernen.
    Er kaufte sich ein Notizbuch und begann Verschiedenes aufzuschreiben: Gedankenfetzen, Beobachtungen, Reflexionen. Bis dahin hatte er seine Gedanken nie für besonders bemerkenswert gehalten. Sie schienen so gewöhnlich. Banal. Die erwartbaren, einfallslosen Grübeleien eines typischen amerikanischen Teenagers. Aber jetzt fühlte er sich inspiriert. Da trieb etwas Wichtiges durch seine Gedanken, ohne dass er es ganz zu fassen bekommen hätte. Jedes von ihm aufgeschriebene Wort war wie eine Schaufel Erde, von der er einen vergrabenen Schatz befreite. Er fand viele Dinge in der finsteren Erde, Erinnerungen, Lehrreiches, eine langsam zutage geförderte Karte der Welt. Und was er unter anderem entdeckte, war ein Name. Er kam zu ihm, eine Verbindung seines eigenen mit anderen Namen. Carter Allen Cash . Er starrte sie an, diese drei Wörter, die große Mondsichel eines jeden C . Es gefiel ihm auch, dass die Anfangsbuchstaben der ersten beiden Namen den Anfang des letzten bildeten. Carter Allen CAsh . Aber wessen Name war das? War es jemand, den er kennenlernen würde? Jemand, nach dem er suchen sollte? Und dann eines Tages begriff er: Es war sein eigener Name. Der Name, den er tragen sollte.
    Er stellte sich auch dem Mädchen damit vor, als er endlich den Mut fand, sie noch einmal anzusprechen. Natalie mit der weißen Hose und dem blauen Tanktop. Die versauten Kerle in seinem Haus behaupteten, dass es Frauen mit weißen Hosen anal mochten, aber Daniel konnte sich nicht vorstellen, dass diesem Mädchen so etwas Grobes gefiel. Wenn er zu viel darüber nachdachte, wurde ihm regelrecht schwindlig. Er konnte nicht mal wirklich glauben, dass sie dahinten ein Loch hatte. Er stellte sich Natalie fast wie eine Barbiepuppe vor. Glatt, gleichmäßig gebräunt, ohne

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