Der Vater des Attentäters (German Edition)
Es sollte hier angemerkt werden, dass etliche Seiten über seine Zeit in Montana aus dem Tagebuch herausgerissen sind.
Bei unserem zweiten Treffen entschuldigte sich der Proband für sein Verhalten bei unserer ersten Sitzung. Aber, so unterstrich er: «Ich will nicht wirklich über das sprechen, was ich im letzten Jahr alles erlebt habe. Es ist nicht von Bedeutung, verstehen Sie? Schließlich wollen Sie doch nur wissen, warum ich es getan habe, oder? Warum ich den Mann erschossen habe? Darüber können wir vielleicht sprechen – wobei ich allerdings nicht sehe, was das bringen soll. Immer dieses Warum, Warum, Warum. Ich hatte einfach meine Gründe. Worauf es ankommt, ist doch, dass ich es getan habe und dass es mir leidtut.»
Die Aufzeichnungen des Probanden geben einen besseren Einblick in seine geistige Verfassung während der fünfzehn Monate zwischen seiner Entscheidung, das College zu verlassen, und dem Tag, an dem er, wie er behauptet, Senator Seagram erschossen hat. Eine tiefergehende Analyse findet sich im Anhang 1 zu diesem Gutachten. Da der Zweck dieses Gutachtens jedoch darin besteht zu untersuchen, ob Daniel Allen in der nötigen geistigen Verfassung war, auf schuldig zu plädieren, und nicht darin, eine vollständige Analyse seines Geisteszustands zu liefern, geht der Gutachter hier zum nächsten Punkt über.
Carter Allen Cash
Einer der interessanteren Punkte in diesem Fall ist die Entscheidung des Probanden, seinen «Namen zu ändern», von Daniel Allen zu Carter Allen Cash. Im September 20 _ _ beginnt er, sich in seinen Aufzeichnungen Carter Allen Cash zu nennen. Wir wissen auch, dass er sich anderen Personen von etwa dieser Zeit an als Carter vorstellte. Das tat er bis zu seiner Verhaftung. Der Name selbst scheint keine symbolische Bedeutung zu haben. 1
Auf den Namen angesprochen, sagte der Proband: «Er fühlte sich einfach richtig an.» Auf die Bitte, die Wahl des Namens genauer zu begründen, sagte er: «Ich bin nicht sicher. Ich war eines Tages in der Bibliothek und habe so herumgekritzelt, wissen Sie. Ich habe ein paar Dinge in mein Notizbuch geschrieben, und dann standen diese Worte nebeneinander, und es hat Klick gemacht.»
Der Proband sagte, er glaube nicht, dass die Worte eine tiefere Bedeutung enthielten. Er stellt fest: «Es ist nicht so, dass ich gezielt nach einem neuen Namen gesucht habe. Ich habe eher das Gefühl, dass er mich gesucht hat, und ich habe ihn angenommen.»
Nach eingehender Analyse glaubt der Gutachter nicht, dass die Person namens «Carter Allen Cash» eine andere Persönlichkeit darstellt als die unter «Daniel Allen» bekannte Person. Es gibt keine Hinweise auf eine dissoziative Identitätsstörung (auch bekannt als «multiple Persönlichkeitsstörung»). Stattdessen scheint der Namenswechsel auf den Wunsch des Probanden zurückzugehen, seinen ursprünglichen Namen abzulegen, sich damit von der Identität abzuwenden, die seine Eltern ihm gegeben haben, und sie gegen eine selbst gewählte Identität einzutauschen. Auf die Frage, welche charaktertypischen Eigenschaften Carter Allen Cash besitze, die sich von denen Daniels Allens unterschieden, stellte der Proband fest: «Das ist schwer zu sagen. [Lange Pause.] Es ging einfach darum, eine eigene Entscheidung zu treffen. Ich hatte es mir nicht ausgesucht, diese Person zu sein. Danny . Das ist gewissermaßen ein Kindername. Der Name, den man einem Kind gibt, und ich war kein Kind mehr. Manchmal, denke ich, muss man eben, um erwachsen zu sein, die Kontrolle übernehmen und sich von seiner Vergangenheit absetzen. Man muss sagen: ‹Ich bin nicht diese Person, ich bin jemand Neues.› Ich würde also sagen, der Name war für mich eine Möglichkeit, erwachsen zu werden.»
Als interessant ist dabei anzumerken, dass der Gutachter, als er sich dem Probanden vorstellte und ihn fragte, wie er ihn nennen solle, die Antwort bekam: «Daniel.» Als der Gutachter ihn später darauf ansprach, sagte der Proband: «Na ja, heute kommt mir das etwas dumm vor. Inzwischen hatte ich Zeit, darüber nachzudenken, und jetzt denke ich, dass wir sowieso nicht ändern können, wer wir sind. Nicht wirklich. Das heißt, ich kann mich ‹Carter› nennen oder ‹Maestro› oder meinetwegen auch ‹Sam›, aber es ist nur eine Verkleidung, oder? Zumindest eine Affektiertheit. Und so was habe ich immer gehasst, wenn Leute affektiert waren, wie das Mädchen in der Highschool, das irgendwann anfing, mit diesem aufgesetzten britischen Akzent zu
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