Der Vater des Attentäters (German Edition)
reden. Aber als ich unterwegs war und durchs Land gereist bin, da fühlte es sich richtig an. Meinen Namen zu ändern. Mich selbst anders zu sehen.»
Der Proband wurde von seinem Gutachter gefragt, ob er je überlegt habe, sich das Leben zu nehmen, oder es gar schon einmal versucht habe. Der Proband erzählte daraufhin, dass er während seines Winters in Montana eine Zeitlang «den Lebenswillen verloren» habe. Es sei damals sein Tiefpunkt gewesen, und er habe mindestens zweimal an Selbstmord gedacht, es aber nicht ernsthaft versucht. Auf die Frage, wie er von diesem Gedanken wieder abgekommen sei, stellte er fest: «Ich weiß nicht genau. Da war so viel Finsternis um mich herum. An manchen Tagen schien es, als gäbe es überhaupt keine Sonne. Und dann diese Kälte … wenn man nicht darauf vorbereitet ist, kann sie einen wirklich in die Knie zwingen.» Auf die Frage, warum er nicht einfach wieder abgereist sei, nach Süden, stutzte der Proband kurz, als wäre ihm der Gedanke nie gekommen. «Ich weiß es nicht», sagte er. «Ich hatte das Gefühl, ich könnte erst weg, wenn die Zeit gekommen wäre.»
Auf genauere Nachfrage erklärte der Proband: «Ich hatte das Gefühl, was ich da durchmachte, sei Teil der Reise. Dass ich das durchmachen sollte … diese Traurigkeit. Dass es, wenn ich nur durchhielt, mir irgendwie klarer machen würde, was ich zu tun hatte. » (Hervorhebung durch den Gutachter)
Darauf fragte der Gutachter, ob dem Probanden denn damals klarer geworden sei, was er zu tun hatte. Der Proband nickte und stellte fest: «Sieht ganz so aus.» Auf die Frage, was die Formulierung «was ich zu tun hatte» genau bedeutete und warum er sie benutze und nicht «was ich tun wollte», antwortete er, er glaube, die Dinge, die sich im Leben ereigneten, «sollen so geschehen». Er fuhr fort, obwohl die Stationen seiner Reise zunächst eher zufällig ausgesehen hätten, könne er «im Nachhinein sehen, dass sie einer inneren Logik folgten, dass alles zu dem hingeführt hat, was geschehen ist. Was ich getan habe.»
Der Gutachter fragte, ob er damit meine, diese Dinge seien ihm zugestoßen, und nicht er habe die entsprechenden Entscheidungen getroffen. Darauf stellte der Proband fest: «Nein. Ich denke, ich habe die Entscheidungen getroffen, aber es war auch Schicksal. Hm … ergibt das einen Sinn? Ich meine damit so etwas wie: Es war meine Entscheidung, aber es gab auch keine anderen guten Optionen.»
Auf die Frage, ob er glaube, es sei ein annehmbares menschliches Verhalten, jemanden zu töten, stellte der Proband fest: «Wir sind nicht alle auf dieser Erde, um das Richtige zu tun. Wenn es Gutes geben soll, muss es auch Schlechtes geben, und dieses Schlechte muss irgendwoher kommen. Ich habe in letzter Zeit viel über Judas nachgedacht, und wie er Christus verraten hat, und Christus hat ihm vergeben. Es ist interessant, weil sowohl Jesus als auch Judas tun mussten, was sie taten. Man könnte behaupten, dass es Jesus ohne Judas nicht gegeben hätte. Ohne Dunkelheit gibt es kein Licht, richtig? Das ist es, woran ich denke, wenn die Leute sagen, Gott hat einen Plan. Vielleicht wird das, was ich getan habe, andere Leute motivieren, Gutes zu tun. Vielleicht gibt ihnen das, was ich getan habe, einen Schubs. Kann aber auch sein, dass ich nur nach Rechtfertigungen suche. Aber manchmal beschäftigen mich diese Dinge. Wissen Sie, Hitler war ein Ungeheuer, aber dadurch, dass er ein Ungeheuer war, hat er der Welt die Möglichkeit gegeben, enorm viel Gutes zu tun. Gutes, das sonst vielleicht nicht getan worden wäre. Ohne Hitler gäbe es Israel nicht, richtig? Nicht, dass ich mir einbilde, Hitler zu sein … Ich weiß auch nicht … ich wünschte, es wäre alles nicht passiert. Ich wünschte, ich hätte es nicht getan.»
Auf die Frage, warum er Senator Seagram getötet habe, hielt der Proband länger als eine Minute inne und sagte dann: «Nachdem Charles Whitman all die Leute in Texas umgebracht hatte, hat man festgestellt, er hatte einen Gehirntumor. Da tut er einem irgendwie leid, wenn man das weiß. Wenn man weiß, dass er die Leute gar nicht umbringen wollte. Es war der Tumor, der ihn dazu gezwungen hat. Aber dann denkst du, vielleicht ist es auch nur eine faule Ausrede. Vielleicht hatte der Tumor gar nichts damit zu tun. Vielleicht war das nur ein zufälliges Zusammentreffen. Ich könnte Ihnen alles Mögliche erzählen, dass mich mein Daddy nicht geliebt hat oder dass mir irgendein Mädchen das Herz gebrochen hat, aber die
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