Der verbannte Highlander
Wandern in den Bergen war schon schwierig genug; im Schnee zu wandern war noch schlimmer. Sie folgte dem Pfad, den Patrick für sie bereitete, so gut sie konnte, doch mit ihren Röcken kam sie nur langsam voran. Als sie das kleine Wäldchen und den Bach erreichten, war sie zuerst skeptisch und
dann dankbar für die seltsamen Schneeschuhe, die er ihr aus Zweigen und den Schnüren ihres überaus praktischen Korsetts gebastelt hatte. Die Zweige gaben ihr Halt und hinderten sie daran, in den weichen, nassen Schnee einzusinken.
Doch als sie noch weiter den Hügel hinabstiegen, wurden die Schneeschuhe unnötig. Die am Gipfel tiefe Schneedecke war weiter unten nur noch wenige Zoll tief und schwand dann zu vereinzelten Flecken, während die Sonne – die gestern völlig verschwunden gewesen war – ihr Wunder vollbrachte. Als sie den Wald betraten und die, wie er ihr versicherte, letzten paar Meilen ihrer Reise antraten, war ihr warm genug, dass sie das Plaid abnehmen konnte. Sie wanderten durch die Bäume und an einem Bach entlang, bis sie schließlich kurz vor Einbruch der Dämmerung am Stirnufer eines bezaubernden Loch anhielten. Er war nur etwa eine halbe Meile breit, aber viele Meilen lang. Zur Rechten, am südlichen Ufer etwa ein paar hundert Fuß entfernt, stand eine kleine, stattliche Burg – neu erbaut, so wie es aussah.
Sie warf Patrick einen Blick zu, doch seine Miene war unergründlich, während er die Umgebung mit den Augen absuchte. Ihr Herz zog sich zusammen. Wenn es möglich war, dann hatten die letzten paar Tage ihn nur noch attraktiver gemacht. Seine Haut war rau von Wind und Kälte und sein Haar seidig und zerzaust, und der dunkle Schatten eines Bartes betonte die harten Konturen seines Kiefers.
»Was ist das für ein Ort?«, wollte Lizzie wissen.
»Loch Earn.« Mit ernstem Gesicht wandte er sich zu ihr um. »Das war einmal mein Zuhause.«
Heftig sog sie den Atem ein. Das hier war das Land, das ihr Cousin zu ihrer Mitgift hinzugefügt hatte. Das Land, das Patrick zurückbekommen wollte. Der einzige Grund, warum er sie wollte. Die Brust wurde ihr eng. »Warum hast du mich hierher gebracht?«
»Ich weiß nicht genau.« Gedankenverloren verstummte
er und sein Blick kehrte zum Loch zurück. »Ich wollte, dass du es siehst. Dass du weißt, was hier geschehen ist. Dass du weißt, warum ich tat, was ich getan habe.«
»Was ist denn hier geschehen?«, fragte sie sanft, da sie spürte, wie wichtig es ihm war.
Patrick antwortete nicht sofort. Er konnte nicht aufhören, auf den Loch hinauszustarren, auf die Burg. Es war, als habe etwas – die Erinnerungen möglicherweise – von ihm Besitz ergriffen.
Vielfältige Emotionen spiegelten sich in seinem Gesicht, und Lizzie erkannte, dass sie ihn noch nie so entblößt gesehen hatte. Normalerweise war er unnahbar, unbeteiligt, doch in diesem Augenblick sah sie, was es war: eine Fassade. Die Linien, die sich in sein gutaussehendes Gesicht eingruben und das Leid in seinen Augen enthüllten einen Mann, der tief gelitten hatte.
In seiner Stimme lag kein Gefühl, als er sprach, doch es war da – brodelnd unter der Oberfläche –, und sie konnte spüren, wie es sie einhüllte. »Dieses Land gehörte jahrhundertelang meinem Clan, doch wir besaßen nicht das Stück Pergament, um es zu beweisen. Die Earls of Argyll machten uns zu Pächtern auf unserem eigenen Land.«
Lizzie wusste ein wenig über die Geschichte der MacGregors. Im Streit zwischen den Bruces und den Balliols um den Anspruch auf den Thron hatten sie sich für die falsche Seite entschieden, und als Robert König wurde, hatte er sie dafür leiden lassen. Da sie keine Urkunde besaßen, um ihr Eigentumsrecht zu beweisen, war den MacGregors ihr Land genommen worden. Dass die Campbells davon profitiert hatten, war der Ursprung der Fehde zwischen den Clans in den darauf folgenden Jahren.
»Aber das war vor Hunderten von Jahren«, meinte Lizzie sanft.
»Aye.« Er sah ihr in die Augen. »Aber die Zeit macht aus
einem Unrecht nicht Recht.« Seine Miene verhärtete sich. »Jahrelang hielt meine Familie das Land als Vasallen von Argyll – sie waren nie damit zufrieden, doch sie akzeptierten es. Vor beinahe zwanzig Jahren allerdings wurde dieses Verhältnis, so schwach es auch war, zerstört. Argyll verkaufte die Pacht unseres Landes an Glenorchy und der schwarze Teufel verschwendete keine Zeit, seine unrechtmäßig erworbenen ›Rechte‹ geltend zu machen.«
Er verstummte, und Lizzie konnte nicht
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