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Der verborgene Charme der Schildkröte

Titel: Der verborgene Charme der Schildkröte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stuart
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das verrottete Tor auf, von dem die Farbe abblätterte, und schritt mit dem wärmenden Gefühl, endlich den Besitzer der Urne gefunden zu haben, über den Betonweg. ›Hausieren verboten‹ stand auf einem Schild. Sie klingelte. Als niemand öffnete, vergewisserte sie sich, dass sie an der richtigen Hausnummer war, und klingelte noch einmal. Schließlich kam eine ältere Frau in einem rosafarbenen Morgenmantel an die Tür.
    »Mrs. Perkins?«
    »Ja«, antwortete die Frau und blinzelte ins Licht.
    »Ich bin Mrs. Jones vom Fundbüro der Londoner Untergrundbahn. Wir hatten miteinander telefoniert.«
    »Ach ja, ich erinnere mich«, sagte sie und trat beiseite. »Kommen Sie herein, meine Liebe. Tasse Tee?«
    Während die Frau in der Küche war, suchte sich Hebe Jones im Chaos des Wohnzimmers eine Sitzgelegenheit und betrachtete die Stapel von Gratiszeitungen auf dem Boden, die Vitrine mit dem billigen Schnickschnack darin und das schmutzige Geschirr auf dem Kaminsims.
    Schließlich kehrte Mrs. Perkins mit einem Tablett zurück, auf dem zwei Teetassen standen, und stellte es auf den Couchtisch. »Keks?«, fragte sie und hielt Hebe Jones einen Teller hin. Als die ablehnte, bediente sie sich selbst, nahm einen Stapel ungeöffneter Post vom Sessel und setzte sich. »Was sagten Sie noch gleich, wie Sie heißen?«, fragte sie.
    »Hebe.«
    »Was für ein schöner Name. Ich habe auch welche im Garten«, sagte sie und nickte zum Schiebefenster hinüber.
    Hebe Jones nahm ihre Teetasse mit Unterteller und stellte sie auf ihre Knie. »Ich wurde allerdings nach der Göttin der Jugend benannt und nicht nach der Pflanze.«
    Eine Pause entstand.
    »Und ich dachte immer, meine Eltern hätten mich wegen der Blumengöttin Flora genannt. Hat sich aber rausgestellt, dass sie es von der Margarine hatten«, antwortete Mrs. Perkins und starrte vor sich hin.
    Hebe Jones schaute in ihren Tee.
    »Wieso waren Sie noch mal hier?«, fragte die alte Frau.
    »Wegen Clementine.«
    »Ach ja. Wir haben sie sehr geliebt«, sagte sie und suchte in ihrer Morgenmanteltasche nach einem Taschentuch. »Sie wurde langsam alt, und wir wussten, dass sie früher oder später sterben würde, aber es ist immer ein Schock, wenn es dann tatsächlich passiert. Und selbst jetzt kann ich es noch nicht begreifen, dass sie nicht mehr da ist. Ich sehe es noch vor mir, wie sie durch die Tür da kommt und es sich bequem macht, genau dort, wo Sie jetzt sitzen. Wir haben sie im Garten beerdigt. Der hat ihr so viel bedeutet. Immer war sie draußen und ist zwischen den Rosenbüschen herumgestrolcht.«
    »Aha«, sagte Hebe Jones, die immer noch ihre Teetasse in der Hand hielt.
    »Mein Mann glaubt, dass einer der Stadtfüchse sie ausgegraben hat. Vermutlich wurde er vom Geruch angelockt.«
    »Vom Geruch?«
    »Irgendwann setzt die Verwesung ein, nicht wahr? Ich hatte meinem Mann auch gesagt, dass er sie nicht in einer Pappschachtel beerdigen soll, aber er wollte es so. Meiner Meinung nach hatte Clementine etwas Besseres verdient, aber er fand das zu viel des Guten. So habe ich wenigstens den Namen draufgeschrieben, damit es etwas Besonderes ist«, sagte Mrs. Perkins und zupfte an einem Faden an ihrer Armlehne herum.
    »Als er entdeckte, dass man sie ausgegraben hat, brach es uns das Herz. Manche Leute können das einfach nicht verstehen. Wir hatten gedacht, dass sie irgendwann in einem Nachbargarten wieder auftaucht, aber jetzt sagen Sie, man hätte sie in der U-Bahn gefunden? Scheußlich. Vermutlich hat die Bande von nebenan etwas damit zu tun. Die haben sie nie gemocht, weil sie immer an ihr neues Gewächshaus gepinkelt hat. Aber Katzen kann man halt nicht erziehen«, fügte sie hinzu und biss endlich in ihren Custard-Cream-Keks.
    Nachdem er kontrolliert hatte, dass die Bauarbeiter sämtliche Schilder aufgestellt hatten und somit der Eröffnung der Königlichen Menagerie nichts mehr im Wege stand, schloss Balthazar Jones die Tür zum Develin Tower auf. Er traf das Bartschwein in einem Zustand ungehemmter Ekstase an. Mit geschlossenen Augen, die bärtige Schnauze gen Himmel gerichtet, rubbelte es seine voluminöse Flanke an der Ecke des Steinkamins. Der Beefeater setzte sich ins Stroh, lehnte sich gegen die runde Steinwand und streckte die Beine aus. Als es seinen Wärter plötzlich sah, schoss das Tier die verschandelte Pampelmuse durch den Raum, jagte ihr hinterher und drehte sich, als es die Frucht im Maul hatte, zu dem Mann mit dem kümmerlichen Bartwuchs um. Es kam keine Reaktion.

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