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Der verborgene Charme der Schildkröte

Titel: Der verborgene Charme der Schildkröte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stuart
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jemals herausbekommen sollte. Zu verzweifelt, um sich zu entspannen, stieg er wieder aus dem Wasser.
    Nachdem er seinen Schlafanzug angezogen hatte, betrachtete er den Sessel am Fenster, in dem er jetzt geschlafen hatte, seit er in der vergangenen Woche den Brief seiner Ehefrau gefunden hatte. Da er jedoch nicht mehr zusammengekrümmt schlafen konnte, legte er sich wieder auf seine Bettseite und schaltete das Licht aus. Als er immer noch keinen Schlaf fand, streckte er seine Hand aus und tastete in der Dunkelheit herum, bis seine Finger das Gesuchte gefunden hatten. Er zog das weiße Nachthemd zu sich herüber, hielt es sich ans Gesicht und roch daran. Stunden später, als er erwachte, weil er geträumt hatte, Hebe Jones liege neben ihm, hielt er es immer noch umklammert, und der Schmerz des Verlassenseins packte ihn mit neuer Kraft.
    Schnell verschwand er ins Bad und setzte sich auf den Badewannenrand, weil er nicht ins Bett zurückwollte. Er starrte zu Boden und sah auf einmal ein braunes Salatblatt dort liegen. Schlagartig wurde ihm bewusst, dass er Mrs. Cook schon eine ganze Woche nicht mehr gesehen hatte. Ihm blutete das Herz, als er an die vornehme Abstammung des Tiers dachte.
    Mrs. Cook war keine gewöhnliche Schildkröte, sondern die Tochter eines Tiers, das einst Kapitän Cook gehört hatte. Der Entdecker hatte nur einen Blick auf die herrliche Musterung ihres Panzers geworfen und sie sofort an Bord der HMS Resolution gebracht, wo sie an Deck herumlaufen durfte. Als das Schiff 1779 während der Feierlichkeiten für einen polynesischen Gott in Hawaii landete, hielten etliche Einheimische den Mann aus Yorkshire für eine Gottheit. Um sie von ihrer Überzeugung abzubringen, schenkte er ihnen seinen kostbarsten Besitz: das Schiffsmaskottchen.
    Fast ein Jahr später wurde das Reptil, das dazu neigte, seine eigenen Wege zu gehen, von einem fremden Matrosen entdeckt. Weil er dachte, dass Schildkröten auf hoher See Glück brachten, nahm er sie mit und präsentierte sie, nachdem sie Segel gesetzt hatten, mit großem Tamtam seiner Mannschaft. Das Tier wurde der Stolz des gesamten Schiffes, und in der Nacht erzählte der Matrose Geschichten von spektakulären Glücksfällen, die Mannschaften mit Schildkröten an Bord widerfahren waren.
    Dann wurde das Schiff allerdings vom Kurs abgetrieben, und schon bald waren die Rationen der Seeleute erschöpft. Nun starrten die halb verhungerten Männer mit begehrlichen Blicken auf das Geschöpf. Einer stand auf und erklärte, dass es seiner Meinung nach eigentlich schwarze Katzen seien, die Seeleuten Glück brächten. Ein anderer stimmte ihm zu, und schließlich war die gesamte Mannschaft davon überzeugt, dass der Matrose sich irrte.
    Am nächsten Tag wurde das Schiff von Piraten angegriffen. Als der Matrose, vom Lauf einer Pistole bedroht, an Bord des feindlichen Schiffes zu gehen gezwungen wurde, schnappte er sich schnell den Eimer, in dem er das verleumdete Tier versteckt hatte. Er wurde mit der Zubereitung der Speisen betraut und tat alles, damit sie an kulinarische Meisterleistungen heranreichten – im Rahmen der Möglichkeiten einer Küche, die im Grunde nur Schiffszwieback zur Verfügung hatte. Daher wurde ihm, als das Schiff schließlich in Plymouth anlegte, die Freiheit geschenkt, und er kehrte mit seinem Eimer nach Südwales zurück. Er zeigte die Schildkröte seiner Frau, die ihrerseits ein kleines Vermögen damit verdiente, sie den guten Leuten von Gower zu zeigen, denn die konnten es kaum glauben, dass es ein Wesen gab, welches sein Haus auf dem Rücken trug.

KAPITEL DREIZEHN
    Balthazar Jones regte sich, die bärtige Wange an das Baumwollnachthemd seiner Frau gepresst. Wie immer, wenn er aufwachte, spürte er ihre Abwesenheit besonders schmerzlich, aber während er mit geschlossenen Augen dalag, wurde ihm bewusst, dass noch irgendetwas anderes nicht stimmte. Sobald er sich an das verwelkte Salatblatt auf dem Badezimmerboden erinnerte, öffnete er die Augen.
    Er schlug die schäbige Bettdecke zurück, schlüpfte in seine karierten Pantoffeln und zog über dem sanften Hügel seines Bäuchleins seinen Morgenmantel zusammen. Dann begann er mit der Suche nach dem Wesen, das von Generationen von Joneses für die Matriarchin der Familie gehalten worden war. Zunächst blickte er in den Wäscheschrank, dessen Tür stets aufstand, so dass sie hätte hineinschlüpfen können, falls die bittere Kälte im Salt Tower sie zu einem ewigen Winterschlaf gezwungen hätte. Dann

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