Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der verborgene Charme der Schildkröte

Titel: Der verborgene Charme der Schildkröte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stuart
Vom Netzwerk:
der Yeoman Gaoler und schloss mit einem Knall das Fenster. Er nahm seinen Bademantel vom Haken an der Schlafzimmertür und zog ihn an. Als er den Gürtel festzurrte, verfluchte er den nutzlosen Kaplan mit seinen hageren Knöcheln, weil er das Problem einfach nur nach draußen verlagert hatte. Er griff nach dem Holzgeländer und stieg barfuß die enge Treppe hinab, um nach all dem entsetzlichen Getöse nach der Etruskerspitzmaus zu schauen. Als er seine Brille gefunden hatte, öffnete er den Käfig und nahm vorsichtig den Deckel vom Plastikhäuschen ab. Sooft er das Wesen aber auch mit seinem plumpen Finger anstupste, nichts konnte es dazu bewegen, seine spitze, samtige Nase herauszustrecken.

KAPITEL SECHZEHN
    Balthazar Jones stellte die ägyptische Parfümflasche vorsichtig in die Vitrine und trat einen Schritt zurück. Das war ein ganz besonderes Exemplar, dachte er, als er in seinem Schlafanzug davorstand und die Probe bewunderte, die er dem sanften Regen vom Vorabend entnommen hatte. Während er sorgfältig mit dem Staubtuch über das Regalbrett wischte, ließ er den Blick über die anderen Flaschen gleiten und studierte mit der Begeisterung eines Sammlers die Etiketten.
    Er schloss die Tür hinter den Kreidezeichnungen aus dem Krieg, war in Gedanken bereits beim Frühstück und hatte gerade die halbe Treppe geschafft, als plötzlich das Telefon klingelte. Der schmierige Seilhandlauf brannte unter seinen Händen, weil er es auf einmal eilig hatte, aber statt seiner Ehefrau war es nur ein Vertreter, der ihn von den Vorteilen einer doppelten Fensterverglasung überzeugen wollte.
    Er legte auf und ließ sich schwer auf seine Bettseite sinken. Obwohl er wusste, dass Hebe Jones nicht zurückkam, hegte er trotzdem die quälende Hoffnung, dass sie sich irgendwann melden würde. Anfangs war er sogar von dem Gedanken besessen gewesen, dass sie ihm schreiben würde, um ihm mitzuteilen, dass alles ein Irrtum gewesen sei. Ständig war er zum Byward Tower gegangen, um sein Fach zu kontrollieren, denn er war sich sicher, dass der Brief, wenn er nicht mit dem Briefträger gekommen war, nur persönlich abgegeben worden sein konnte. Als die Wochen vergingen und keine Nachricht eintraf, gelangte er wiederum zu der Überzeugung, dass jeder Brief, der von ihr kommen würde, nur von ihrem Anwalt sein könne. Von diesem Moment an weigerte er sich, seine Post abzuholen. Es sammelten sich derart viele Briefe an, dass der Chief Yeoman Warder schließlich drohte, sie alle zu entsorgen, wenn er sie nicht abholen komme.
    Er schob seine Hände zwischen die Oberschenkel, um sie vor der Zugluft zu schützen, und fragte sich, was er mit den Sachen seiner Frau machen sollte. Auf dem Ankleidetisch stand das bunte Gefäß, das er ihr auf der Hochzeitsreise geschenkt hatte und in dem sie jetzt ihre Ohrringe aufbewahrte. An einem der Kommodenknäufe hingen ihre Ketten, die einst beim Gehen an ihrem hübschen Dekolleté hin und her gebaumelt waren. Und oben auf dem Kleiderschrank stand die Schachtel mit ihrem Hochzeitskleid, das sie auf keinen Fall auf dem Dachboden ihres Hauses in Catford hatte zurücklassen wollen. Stets hatte sie darauf beharrt, dass es das Erste sei, was sie sich im Falle eines Brandes schnappen würde. Der Beefeater entschied, dass alles genau dort war, wo es hingehörte, zog seine Uniform an und verließ den Salt Tower, ohne etwas zu essen, weil ihm nicht nach einem einsamen Frühstück war.
    Er ging zum Gehege auf dem Rasen beim White Tower und suchte die Grünen Ringbeutler, die in der Nacht ihrer Befreiung in Schockstarre gefallen waren. Während er zwischen den Blättern nach ihnen Ausschau hielt, kehrte er in Gedanken zu dem Mann zurück, der für die ganze Geschichte verantwortlich war und dessen Wams immer noch in seinem Wäscheschrank lag. Ohne Beweise für seine Schuld würde sich der Rabenmeister wohl nie für seine Tat verantworten müssen.
    Schließlich entdeckte er die sonderbaren Tiere hinten in ihrem Gehege, wo sie sich im Laub versteckten und nur ihre Schwänze mit der adrett eingekringelten Spitze heraushängen ließen. Erleichtert, dass sie sich von ihrem Trauma erholt hatten, öffnete er die Drahttür zum Gehege des winzigen Sugargliders, des Geschenks des tasmanischen Präsidenten. Das perlgraue Wesen, das unter Depressionen litt, wenn man es zu viel alleine ließ, öffnete sofort seine großen braunen Augen. Nachdem Balthazar Jones ihm beigebracht hatte, die kleine Leiter hochzuklettern, die er extra für

Weitere Kostenlose Bücher