Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden
Verkauf anbieten, bis sie schwarz werden, sie werden keinen finden, der dumm genug ist, es zu kaufen. Um das Haus von allem Übel, was es erlebt hat, reinzuwaschen, braucht man mehr als einen neuen Anstrich.«
»Was für Übel?«
Gump, der bis dahin seine Geschichten freimütig zum Besten gegeben hatte, verstummte plötzlich. Etwas schien in seinen Augen aufzuflackern. »Das Haus hätte man schon vor Jahren niederbrennen sollen. Da haben sich schlimme Dinge zugetragen.«
»Was denn für Dinge?«
»Ach, das ist nicht so wichtig«, sagte Gump mit zitternden Lippen. »Glauben Sie’s mir einfach. Manche Häuser kann man eben selbst mit einer frischen Schicht Farbe nicht wieder sauber kriegen.«
»Ich hatte ja gar nicht vor, es zu kaufen«, erwiderte Nell, verblüfft über seine heftige Reaktion. »Ich dachte nur, es gäbe eine Möglichkeit, mal einen Blick auf das Anwesen zu werfen.«
»Um einen Blick auf die Bucht zu werfen, brauchen Sie nicht über das Blackhurst-Anwesen zu gehen, die können Sie von
der Klippe aus sehen.« Er zeigte mit seiner Pfeife in Richtung Küste. »Folgen Sie dem Weg vom Dorf um die Landzunge herum in Richtung Sharpstone, dann sehen Sie die Bucht unten liegen. Die hübscheste kleine Bucht in ganz Cornwall, wenn dieser schreckliche Felsen nicht wäre. Von dem Blut, das da vor langer Zeit vergossen wurde, ist heute keine Spur mehr zu sehen.«
Inzwischen duftete es köstlich nach Rindfleisch und Rosmarin, und Robyn nahm Besteck und Geschirr aus dem Schrank. »Sie bleiben doch zum Abendessen, nicht wahr, Nell?«
»Selbstverständlich bleibt sie zum Essen«, sagte Gump und lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Wir können sie doch nicht in so einen Nebel rausschicken. Da draußen sieht man die eigene Hand nicht vor den Augen.«
Der Eintopf war köstlich , und Nell musste nicht lange zu einer zweiten Portion überredet werden. Anschließend zog Robyn sich zum Spülen in die Küche zurück, und Nell und Gump waren wieder allein. Inzwischen hatte sich eine wohlige Wärme im Zimmer ausgebreitet, und Gumps Wangen waren gerötet. Er spürte Nells Blick und nickte gut gelaunt.
Nell fühlte sich unbeschwert in William Martins Gesellschaft, fühlte sich geschützt in seinem kleinen Wohnzimmer. Es war, als hätte eine Zauberformel die Zeit aufgehoben und sie von ihren alltäglichen Sorgen befreit. Es war das Geschick des Märchenerzählers, dachte sie. Die Fähigkeit, Farben heraufzubeschwören, sodass alles andere verblasste. Und William Martin war der geborene Märchenerzähler, daran bestand kein Zweifel. Die Frage war nur, wie viel von dem, was er erzählte, man ihm auch glauben konnte. Zweifellos besaß er das Talent, aus Stroh Gold zu spinnen, dennoch war er wahrscheinlich der einzige Mensch, der die Zeit, die sie interessierte, noch erlebt hatte. »Sagen Sie mal«,
begann sie. Das Feuer wärmte sie wohlig von der Seite. »Haben Sie als junger Mann vielleicht Eliza Makepeace gekannt? Sie war Schriftstellerin und das Mündel von Linus und Adeline Mount rachet.«
William zögerte merklich. Dann murmelte er durch seinen Schnurrbart: »Jeder kannte Eliza.«
Nell atmete tief ein. »Wissen Sie, was aus ihr geworden ist?«, fragte sie hastig. »Am Ende, meine ich. Wie und wo sie gestorben ist?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, das weiß ich nicht.«
Mit einem Mal wirkte der alte Mann zurückhaltend und argwöhnisch. Diese Beobachtung erfüllte sie zwar einerseits mit Hoffnung, andererseits wusste sie, dass sie äußerst vorsichtig vorgehen musste. Auf keinen Fall wollte sie, dass er sich in sein Schneckenhaus zurückzog, nicht ausgerechnet jetzt. »Und was ist mit der Zeit, als sie auf Blackhurst wohnte? Können Sie mir darüber etwas erzählen?«
»Ich habe sie zwar gekannt, aber nur flüchtig. Ich war in dem vornehmen Haus nicht willkommen; die da oben das Sagen hatten, wären nicht erfreut gewesen, mich dort zu sehen.«
Nell ließ nicht locker. »Nach allem, was mir bisher bekannt ist, wurde Eliza zuletzt im Jahr 1913 in London gesehen. Sie hatte ein kleines Mädchen bei sich, Ivory Walker, Rose Mountrachets Tochter, die damals vier Jahre alt war. Können Sie sich irgendeinen Grund vorstellen, der Eliza dazu veranlasst haben könnte, mit dem Kind anderer Leute eine Reise nach Australien zu planen?«
»Nein.«
»Oder können Sie sich vorstellen, warum die Familie Mountrachet ihre Enkelin für tot erklärte, obwohl sie noch lebte?«
Sein Tonfall wurde scharf.
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